22.09.2017 - Tobias Schafföner

Zei­ten­wen­de in der Geld­po­li­tik?


Zei­ten­wen­de in der Geld­po­li­tik?
Geld

Die US Notenbank Federal Reserve baut ihre Bestände an Anleihen ab. Bedeutet das eine Zeitenwende in der Geldpolitik? Und was macht die Europäische Zentralbank?

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) reduziert den Bestand an Anleihen. Eine historische Wende?

Historisch ja, radikal aber nicht. Ab Oktober beginnt das Abschmelzen der Bilanz. Es gibt eine sanfte Abkehr vom „Quantitative Easing“, also von den seit 2008 laufenden Wertpapier-Kaufprogrammen. Anleihen werden nicht aktiv verkauft, sondern die Erträge aus fällig werdenden Anleihen nicht mehr reinvestiert, wie es bisher der Fall war. Fed-Präsidentin Janet Yellen erklärte nach der letzten Notenbank-Sitzung Ende September, dass es Obergrenzen gibt, bis zu denen Reinvestitionen in Anleihen ausgesetzt werden. Für US-Staatsanleihen (Treasuries) liegt diese Obergrenze bei sechs Milliarden US-Dollar pro Monat, für hypothekenbesicherte Anleihen (MBS) bei vier Milliarden US-Dollar. Diese Obergrenzen gelten bis Dezember und erhöhen sich im Verlauf des Jahres 2018 sukzessive bis auf 30 Milliarden Dollar für Treasuries und 20 Milliarden Dollar für MBS. Fed-Chefin Janet Yellen bietet den Kapitalmärkten damit eine gewisse Planungssicherheit. Das Abschmelzen der Bilanzsumme soll sich auf einem langsamen und stetigen Pfad bewegen, von dem nur im Fall eines wirklichen Schocks abgewichen werden soll. Das wichtigere Steuerungstool der Geldpolitik wird wieder der Zins. Die Herausforderung für Yellen ist unseres Erachtens, dass jeder weitere Zinsschritt den nächstfolgenden erschwert. Das gilt insbesondere dann, wenn in anderen Teilen der Welt noch Null- und Negativzinsen vorherrschen. Mit einem Zinsanstieg auf Niveaus, wie es sie vor dem Ausbruch der Finanzkrise gab, rechnen wir deshalb auch in den USA weiterhin nicht. Und langsam scheint diese Einsicht auch den Gouverneuren der US-Notenbank zu dämmern: Ihre regelmäßig optimistischen Schätzungen, wo sich der Leitzins langfristig befinden dürfte, sanken im September erstmals unter die Marke von drei Prozent - auf 2,75 Prozent im Median. Selbst diese Schätzung setzt aus unserer Sicht viel Optimismus voraus: Dass das Wirtschaftswachstum sich noch mehrere Jahre dynamisch fortsetzt und die Inflationsziele erreicht werden können. Wir haben große Zweifel, dass die Fed diese „Flughöhe“ erreichen kann, bevor sie sich wieder gezwungen sähe, gegenzusteuern.

Wann stoppt die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Anleihekaufprogramm?

In der EZB schwelt derzeit ein Streit über dieses Thema. Eine schnelle Lösung muss her, denn am 31.12.2017 läuft das Anleihekaufprogramm aus. Bis dahin pumpen die Notenbanken der Euroländer monatlich insgesamt 60 Milliarden Euro in den Markt. Es stellt sich allerdings die Frage, warum es innerhalb der EZB eigentlich eine Mehrheit dafür geben sollte, die Anleihekäufe überhaupt fortzusetzen. Zahlreiche Gründe sprechen dagegen. Die Inflation ist nicht mehr auf der Nulllinie, die Zinsen sind relativ niedrig und die Zinsaufschläge, die in der „Euro-Peripherie“ gezahlt werden müssen, sind vergleichsweise niedrig. Es gibt aber einen gewichtigen Faktor, der diesen optimistischen Blick eintrübt: Den starken Euro. Mario Draghi begründet die Relevanz des Wechselkurses mit dem geldpolitischen Mandat der EZB – alles andere dürfte wohl auch für Gegenreaktionen anderer Notenbanken sorgen. Draghi argumentiert: der starke Euro importiere Deflation in die Eurozone. Die Inflation entferne sich deshalb vom Ziel der Preisstabilität. Nach Definition der EZB besteht diese, wenn die Verbraucherpreise jährlich um zwei Prozent steigen. Wenn der Wechselkurs dafür sorgt, dass die Inflationsrate sinkt – dann muss die Notenbank doch auch die Euro-Stärke in ihrer Geldpolitik berücksichtigen. Soweit die Darstellung der Notenbanker. Es könnte unseres Erachtens aber einen Hintergedanken geben, der nicht öffentlich thematisiert wird. Eine schwache Währung kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen steigern. Langfristig ist eine solche „Exportertüchtigung“ zwar nicht erfolgreich. Kurzfristig aber schon. Der Vorteil für die Notenbanker und den ein oder anderen Regierungschef: Solche Konjunkturhilfen ersparen ihnen schmerzhafte Strukturreformen. Denn für eine nachhaltige Steigerung der Innovationsfähigkeit sind weitaus größere Anstrengungen nötig, als für eine Abwertung der Währung.

Wenn der Euro abwerten soll, warum setzt die EZB ihr Anleihekaufprogramm nicht einfach wie bisher fort?

Die Antwort ist simpel: Weil der EZB die Anleihen ausgehen. Die Anleihekaufprogramme stoßen an wichtige Grenzen: Bislang werden die Anleihen im Verhältnis des EZB-Kapitalschlüssels gekauft. Das bedeutet, dass der größte Anteil (rund ein Viertel des gesamten Kaufvolumens) auf deutsche Anleihen entfällt. Außerdem dürfen bei den jeweiligen nationalen Anleihen je nach Anleihebedingungen maximal 25 oder 33 Prozent einer Emission gekauft werden. Diese Grenzen sind notwendig. Denn die EZB wäre ansonsten bei einer möglichen Restrukturierung - etwa wenn die Schuldentragfähigkeit eines Unternehmens in Gefahr geriete - das Zünglein an der Waage. Die Notenbanker könnten unseres Erachtens an diesen beiden Stellschrauben ansetzen. Das wäre aber problematisch. Wirft man die Kauf-Obergrenzen bei den Anleiheemissionen über Bord, würde die EZB in Härtefällen von einer Notenbank zu einem aktiven Investor. Eben das möchten die Geldpolitiker unseres Erachtens aber wohl eher vermeiden. Auch mit einer Abkehr vom Kapitalschlüssel ließen sich die Freiheitsgrade für die EZB signifikant erhöhen. Dann stellt sich aber die Frage, wie die zukünftigen Käufe aufgeteilt werden sollen. Erwerben die Notenbanker dann dort die Anleihen, wo es am meisten Schulden gibt (also in Italien)? Ein solches Vorgehen dürfte insbesondere im „Kern“ der Eurozone zu massiven Protesten der Politik führen. Unseres Erachtens erscheinen beide Anpassungen deshalb wohl eher als unwahrscheinlich.

Was soll man also von der EZB in 2018 erwarten?

Natürlich haben wir keine Kristallkugel. Und gegen eine Notenbank sollte man bekanntlich niemals wetten. Aber Mario Draghi hat bereits im Oktober 2016 angekündigt, dass er beim Auslaufen der „quantitativen Lockerung“ kein plötzliches Ende anstrebt. Das dürfte unseres Erachtens eher auf eine langsame Reduktion des Kaufvolumens hindeuten. In diesem Jahr stehen noch zwei Notenbanksitzungen an. Am 26. Oktober und am 14. Dezember hat Draghi die Möglichkeit seine Pläne vorzustellen, wie es ab Januar weitergeht. Je länger das Programm im Laufe des Jahres 2018 fortgeführt wird – was eben auch vom Wechselkurs des Euro abhängen dürfte – desto größer muss die Kreativität der Notenbanker bei der Ausgestaltung zukünftiger Anleihekäufe sein. Seine Flexibilität hat EZB-Chef Mario Draghi in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen („whatever it takes“). Investoren sollten daher keine Option vorab ausschließen. Das kann unseres Erachtens auch für die Möglichkeit einer Erweiterung des Kauf-Universums gelten. Nach Pfandbriefen, Staats- und Unternehmensanleihen stehen dann vielleicht irgendwann auch Bankanleihen, Aktien oder ETFs auf dem Einkaufszettel. Die Notenbanken in der Schweiz und Japan sind hier bereits einen Schritt voraus.

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