19.10.2021 -
Kaufen, wenn die Kurse im Keller sind – und dann zum Höchstpreis verkaufen. Ein Traum vieler Anleger, der den Praxistest aber leider nicht besteht.
„Herr Vorndran, soll ich jetzt noch in den Aktienmarkt einsteigen oder besser doch alles verkaufen?“ Diese Frage wird uns häufig gestellt, speziell dann, wenn die Schwankungen an den Märkten wie zuletzt wieder zunehmen. Besonders häufig kommt sie übrigens von deutschen Anlegern. Offenbar haben sie ein besonderes Bedürfnis, den Markt zu „timen“ – also den günstigsten Zeitpunkt für den Ein- oder Ausstieg zu finden und verpassen dadurch zu oft den Einstieg in eine strategische Langfristanlage.
Das Problem: Die Frage nach dem Zeitpunkt lässt sich nicht beantworten. Denn wer kann schon wissen, wann der Höhe- oder Tiefpunkt einer Marktentwicklung erreicht sein wird? Die Vorstellung, zum Tiefpunkt ein- und zum Höhepunkt aus den Märkten auszusteigen, ist daher eine reine Wunschvorstellung. Langfristige Entwicklungen lassen sich bei vielen Unternehmen zwar antizipieren. Wie der Dax oder andere Indizes in ein paar Wochen stehen, das lässt sich einfach nicht sinnvoll prognostizieren.
Hinzu kommt: Selbst, wenn Anleger davon überzeugt sind, einen idealen Ausstiegszeitpunkt aus den Aktienmärkten gefunden zu haben, müssen sie ihr Vermögen ja weiter investieren, solange sie den Wert ihres Vermögens zumindest erhalten wollen. Denn das Risiko von „Nichtstun“ ist angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank enorm: Wer etwa aus den Aktienmärkten komplett aussteigt und dann den rechtzeitigen Wiedereinstieg verpasst, dem entgehen die Gewinne, die gerade zu Beginn von Erholungsphasen oft besonders hoch ausfallen. „Market-Timer“ gehen also das Risiko ein, gerade die besten Börsentage im Jahr zu verpassen, was die Erfolgsbilanz empfindlich schmälern kann.
Doch das ist noch nicht alles. Denn es gibt derzeit – das ist zumindest unsere Überzeugung – mit Blick auf die langfristigen Chancen und Risiken von Anlagen kaum Alternativen zu Aktien. Wo sollte denn das Geld in der Zwischenzeit von Ein- und Ausstieg sinnvoll „investiert“ werden? Es in vermeintlich sicheren Anleihen oder einfach auf Spar- oder gar Girokonten zu parken, bedeutet, es in Zeiten von vielleicht andauernd höheren Inflationsraten einem realen Wertverlust auszusetzen. Nennenswerte Zinserträge gibt es jetzt und auf Sicht nicht mehr, vielmehr drohen „Strafzinsen“ oder „Verwahrentgelte“. Sicher ist dann nur der Verlust, könnte man sagen, und das für viele auch in „nominaler“ Hinsicht.
Je länger es dann mit dem Wiedereinstieg dauert, umso unbefriedigender dürfte die Bilanz ausfallen. So stehen immer noch etliche Anleger an der Seitenlinie, die es etwa nach dem Corona-Crash viele Monate nicht geschafft haben, wieder einzusteigen, weil sie denken: Der „Markt sei nun ja viel zu teuer“.
Natürlich sind die Bewertungen inzwischen gestiegen. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass Aktien auch derzeit die attraktivste Anlageklasse sind. So zeigt etwa der Vergleich der Gewinnrendite (Unternehmensgewinne im Verhältnis zum Kursniveau) der Titel, deren Wertentwicklung im globalen Aktienindex MSCI Welt gespiegelt werden mit dem „Weltzins“ (Mittelwert aus den Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen und deutschen Bundesanleihen), dass Aktien angesichts der Nullzinsen und trotz des Kursanstiegs seit der Coronakrise nicht teurer sind als vor dreißig Jahren.
Der Schlüssel zum Erfolg bleibt aber bei jedem einzelnen Unternehmen, in das man investieren möchte, den Börsenkurs mit dem fairen Wert zu vergleichen. Das kann nur bei einer gründlichen Unternehmensanalyse gelingen. Wenn man das Unternehmen sehr gut und lange kennt. Den Aufwand dafür sollte man nicht unterschätzen. Und selbst dann können Investoren falsch liegen.
Daher ist unser Rat, auch in Zeiten, wenn die Märkte stärker schwanken, weiter in ein breit gestreutes Portfolio aus sorgfältig ausgewählten Aktien zu investieren. Denn der größte Fehler eines Anlegers ist derzeit nicht, den falschen Einstiegszeitpunkt zu erwischen, sondern in guten Unternehmen nicht investiert zu sein!