08.01.2019 -
Der Zins ist nahe der Nulllinie zementiert. Der Sägezahnmarkt an der Börse sorgt für Verunsicherung. Welche Renditen kann ein Anleger in diesem Umfeld erwarten?
Beginnen wir mit der tristen Wahrheit: Die fetten Jahre sind unseres Erachtens vorbei. Wer glaubt, er könne heute ohne Risiken üppige Renditen erzielen, liegt falsch. Die Zeiten haben sich geändert – die Zinsen bleiben vermutlich noch lange vergleichsweise niedrig. Auch wenn es schwerfällt: Investoren, professionelle und Privatanleger gleichermaßen, kommen nicht umhin, ihre Rendite-Erwartungen dem Umfeld anzupassen.
Eine realistische Erwartungshaltung an eine Geldanlage ist deshalb wichtiger denn je. Sie beugt Enttäuschungen vor und verhindert letztlich, dass Anleger ihre finanziellen Ziele verfehlen, nur weil ihnen völlig überzogene Annahmen zugrunde lagen.
Früher, das heißt, bevor die Notenbanken damit begonnen haben, den Zins abzuschaffen, waren erstklassige Anleihen der Anker eines jeden gemischten Portfolios. Insbesondere erstklassige Staatsanleihen. Sie verliehen ihm Stabilität, weil ihre Kurse stabil blieben, wenn es am Aktienmarkt nach unten ging. Die stetigen Zinszahlungen waren zudem eine Art natürlicher Renditesockel. Rund fünf bis sieben Prozent Rendite galten für ein defensives (weil größtenteils aus Anleihen bestehendes) Mischportfolio durchaus als eine realistische Größe.
Den Renditesockel haben die Notenbanker aber längst weggestemmt. Geblieben ist eine Anlageklasse, die unseres Erachtens nicht mehr uneingeschränkt als Anker und verlässlicher Renditebringer taugt. Anleihen müssen im Rahmen der Asset-Allokation, der Zusammenstellung eines Portfolios, neu bewertet werden. Nehmen wir die Papiere erstklassiger Emittenten, Bundesanleihen beispielsweise: Bei den aktuellen Kursen und Renditen ist das Risiko, mit ihnen Verluste zu erleiden, unseres Erachtens größer als ein weiterer Kursanstieg. Den Zinskupon können Anleger im Falle von Bundesanleihen ohnehin (fast) vergessen.
Bleiben wir bei dem Beispiel der Bundesanleihen: Wenn der Renditebeitrag erstklassiger Anleihen derzeit gerade einmal 0,5 Prozent beträgt, welche Renditeerwartungen an ein gemischtes Portfolio sind dann überhaupt noch realistisch?
Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel, ein Depot, das jeweils zur Hälfte aus erstklassigen Aktien und Anleihen von Top-Emittenten besteht. Der Wertbeitrag der Anleihen beträgt null. Nehmen wir die aktuelle Gewinnrendite der Unternehmen als Maßstab für die zu erwartenden Renditen am Aktienmarkt, dann sind rund sechs Prozent – je nachdem, welche Aktien man auswählt – unseres Erachtens ein relativ realistischer Wert. Einhalb und sechs geteilt durch zwei macht 3,25. 3,25 Prozent Rendite, die unser sehr stark vereinfachtes Musterportfolio realistischerweise im Schnitt pro Jahr langfristig abwerfen könnte. Vor Kosten, Steuern und Inflation. Von den bösen Überraschungen an der Börse, die es von Zeit zu Zeit gibt, mal ganz abgesehen.
Hätte ich auf der Straße zehn Personen nach ihren Renditeerwartungen an ein Portfolio gefragt, das zur Hälfte aus Aktien besteht, die Zahl wäre vermutlich deutlich größer gewesen als die hier beschriebenen drei Prozent. Weil es in der Vergangenheit auch so war. Die Vergangenheit ist aber kein verlässlicher Indikator für die künftige Renditeentwicklung. Oft wecken historische Daten falsche Erwartungen bei Anlegern – und führen nicht selten in die Irre.
Eines jedenfalls steht unseres Erachtens fest: Anleger, die langfristig auskömmliche Renditen erzielen wollen, kommen nicht umhin, einen signifikanten Anteil ihres Vermögens in Aktien zu investieren – und damit Kursschwankungen zu akzeptieren. Ohne geht es heute leider nicht mehr.
Das große Problem ist, dass die meisten Anleger in Europa, insbesondere in Deutschland, noch immer weit von einer Aktienquote, die annähernd der aus unserem kleinen Beispiel entspricht, entfernt sind. Sehr weit sogar. Was das aktuelle Umfeld für die Renditeerwartungen eines Anlegers bedeutet, der nur zehn oder zwanzig Prozent seines Vermögens in Aktien investiert hat, lässt sich unschwer erkennen: Sie sollten nicht in den Himmel wachsen.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins „Position“ erschienen, das Sie kostenlos abonnieren können. Hier geht es zum Abonnement.