06.03.2018 -
Die US-Wirtschaft brummt und die Zinsen in den USA steigen. Trotzdem wertete der US-Dollar 2017 kräftig ab. Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Reserach Institute erklärt, warum.
Herr Mayer, seit mehr als einem Jahr ist der US-Dollar eine schwache Währung. Warum eigentlich?
Thomas Mayer: Es ist schon ein wenig rätselhaft. Wenn man historischen Vorbildern vertraut, müsste der Dollarkurs deutlich höher stehen.
Bitte erklären Sie uns das etwas genauer.
Gehen wir mal zurück in die achtziger Jahre. Damals senkte die Regierung um Präsident Ronald Reagan massiv die Steuern. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zog die Zinsen hoch. Der Wechselkurs des Dollars stieg steil an. Im Februar 1985 war der Dollar 3,30 D-Mark wert. Auf Euro umgerechnet hätte ein Amerikaner damals nur 60 US-Cent für einen Euro bezahlen müssen.
Heute zahlt man 1,23 US-Dollar, das sind mehr als doppelt so viel…
… und das, obwohl die historischen Parallelen schon erstaunlich sind. Nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gab es die größte Steuerreform seit Reagan. Die Fed erhöhte die Leitzinsen um einen Prozentpunkt und kündigte weitere Erhöhungen an. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg um einen dreiviertel Prozentpunkt auf zuletzt knapp drei Prozent.
Obwohl die Zinsdifferenz zum Euroraum zuletzt deutlich gestiegen ist, fällt der Dollar – 2017 um mehr als zwölf Prozent zum Euro.
Genau. Der Dollar sollte eigentlich viel höher stehen. Aber das ist Theorie. Für die meisten Marktteilnehmer ist die schwache Entwicklung des Greenback ein Mysterium. Es gibt keine schlüssige Erklärung, nur Vermutungen.
Liegt es vielleicht an Donald Trump, der mit seinen Launen immer wieder für Verunsicherungen sorgt?
Nein, das wäre zu kurz gedacht. Seit der Wahl Trumps ist der US-Aktienmarkt, gemessen am S&P 500-Index um gut ein Viertel gestiegen. Das sieht weniger nach Misstrauen, sondern eher nach einem Vertrauensvotum der Investoren aus. Wie man es auch dreht und wendet – in den Vereinigten Staaten selbst findet man keinen stichhaltigen Grund für die Dollarschwäche.
Was ist es dann?
Vielleicht kann man die Schwäche der Weltleitwährung mit der Stärke der anderen Währungen erklären. Dafür spräche etwa das Timing. Die Aufwertung des Euro zum Dollar begann, als einige politische Risiken ausgeräumt wurden. Etwa durch die französische Präsidentschaftswahl oder der klare Sieg von Regierungschef Shinzo Abe bei der japanischen Parlamentswahl. Dadurch dürften die Prämien für politische Risiken auf Euro und Yen gefallen sein.
Welche Rolle spielen die zuletzt besseren Konjunkturdaten in Ländern außerhalb der USA?
Anfang 2016 nahm die Konjunktur in den USA wieder mehr Fahrt auf. Europa, Japan und die Schwellenländer folgten knapp ein Dreivierteljahr später. Im Laufe des vergangenen Jahres gewann dann die Wirtschaft in der Eurozone und in Japan merklich mehr Schwung als in Amerika. Das spricht für den Euro und den Yen, die 2017 gegen andere Währungen zwei beziehungsweise drei Prozent gewannen. Ein Blick auf den internationalen Kapitalmarkt deutet zumindest darauf hin.
Gab es Kapitalflüsse zwischen den Währungsräumen?
Definitiv. Aus den USA flossen im Verlauf des vergangenen Jahres Finanzmittel ab, während es im Euroraum und in Japan zu großen Zuflüssen kam.
Welchen Effekt hat das auf die Wechselkurse?
Für den Devisenmarkt sind vor allem die Zahlungen von Bedeutung, die auf Handel und langfristige Anlageentscheidungen zurückgehen. Sie werden in der so genannten Grundbilanz erfasst, der Summe aus Leistungsbilanz und langfristiger Kapitalverkehrsbilanz. Im Jahr 2016 wies die Grundbilanz in den Vereinigten Staaten ein Defizit von 87 Milliarden Dollar aus. In den ersten drei Quartalen 2017 stieg dieses Defizit auf einen auf das Jahr hochgerechneten Wert von 136 Milliarden Dollar.
Wie sah es in anderen Ländern aus?
Im Euroraum stieg die Grundbilanz von 2016 auf 2017 um 309 Milliarden Dollar, in Japan um 324 Milliarden Dollar. Eine gewaltige Verbesserung. In allen drei Währungsräumen waren die Veränderungen weitgehend von den Änderungen bei den Kapitalverkehrsbilanzen getrieben.
Was steckt hinter diesen Geldtransfers?
Es hat den Anschein, dass die Dollarschwäche vor allem einer erhöhten Attraktivität von Kapitalanlagen in anderen Ländern geschuldet ist. Vermutlich wurden dabei nicht nur in Amerika Anlagen aufgelöst und nach Europa und Japan transferiert. Die Mittel kamen auch aus anderen Ländern.
Wie lange hält dieser Trend?
Wir sind keine Propheten. Trends können jederzeit enden, die Anleger sind wankelmütig. Deshalb darf mit einer Bewegung der Kapitalflüsse in die andere Richtung und einem Wiedererstarken des Dollar gerechnet werden. Nur wann dies kommen wird, weiß niemand.