10.05.2017 -
Die langfristigen Folgen der ultralockeren Geldpolitik lassen sich nur schwerlich abschätzen. Ihre Risiken gefährden möglicherweise die Statik des Finanzsystems und damit das Vertrauen der Menschen in Papiergeld. Aber taugen Kryptowährungen, wie z.B. Bitcoins als alternatives Zahlungsmittel?
Unter Leitung der Zentralbanken schaffen die Banken Geld aus dem Nichts. Sie schüren das Kreditwachstum. Die wachsende Verschuldung wiederum entlädt sich irgendwann in Krisen – die Finanz- und Schuldenkrise sind sehr gute Beispiele dafür gewesen. Es kommt die Frage auf: Stößt das Kreditgeldsystem an seine Grenzen?
Auf Krisen haben die Notenbanker stets mit denselben Instrumenten reagiert, die die Krisen zuvor ausgelöst hatten – mit einer noch großzügigeren Geldpolitik. Mit noch mehr Geld. So auch nach der Finanz- und Schuldenkrise. Eine derart lockere Geldpolitik wie heute hat es bislang noch nicht gegeben.
Viele Menschen fragen sich, wohin die Notenbankpolitik schlussendlich führen wird. Gut möglich, dass sie irgendwann das Vertrauen in das Papiergeldsystem verlieren. Dass Währungen irgendwann zur Disposition stehen. Die Geschichtsbücher lehren uns jedenfalls, dass Papierwährungen nur eine begrenzte Halbwertzeit haben. Aber was kommt danach?
Der Bitcoin, eine sogenannte Kryptowährung, erscheint in diesem Umfeld als vielversprechende Alternative. Der rasante Kursanstieg in den vergangenen drei Jahren um mehr als 300 Prozent zeigt, dass alternative Währungen zunehmend in den Fokus der Menschen geraten. Im Gegensatz zu Kreditgeld, das durch Kredite mehr oder weniger zweifelhafter Qualität gedeckt wird, ist Bitcoin eine reine Reputationswährung. Es wird als Zahlungsmittel akzeptiert, weil es durch gesellschaftliche Übereinkunft als solches entstanden ist. Dabei können die Nutzer die vollständige Geschichte der Transaktionen nachvollziehen, die in verschlüsselter Form in der sogenannten Blockchain gespeichert sind.
Bevor neue Transaktionen in die Blockchain integriert werden, prüfen Nutzer mit hoher Rechnerkapazität, ob die zu übertragenden Bitcoin das rechtmäßige Eigentum des Käufers sind. Für die Prüfung enthalten sie gemäß einer festen Regel neue Bitcoin als Entlohnung zugeteilt.
Diese dezentrale Organisation hat allerdings ihren Preis: Um die Rechtmäßigkeit der Übertragung von Bitcoin zu prüfen, braucht es nicht nur einen besonders leistungsfähigen Rechner, sondern auch Zeit. Mit der heutigen Rechnergeschwindigkeit können nur sieben Transaktionen pro Sekunde geprüft werden. Traditionelle Zahlungssysteme wickeln dagegen bis zu 7000 Transaktionen pro Sekunde ab. Wenn die Rechnerkapazität nicht deutlich zulegt, wird Bitcoin nicht die Zahlungsvolumen abwickeln können, die heute anfallen.
Deshalb haben sich längst andere Kryptowährungen entwickelt; Kryptowährungen, die ein höheres Zahlungsvolumen bewältigen können, dabei eine zentrale Abwicklungsstelle nutzen. Ein Beispiel dafür ist RSCoin, das von George Danezis und Sarah Meiklejohn im Auftrag der Bank von England entwickelt wurde. In diesem System wird zwar das Überprüfen der Zahlungsvorgänge auf eine Reihe privater Unternehmen ausgelagert; die Blockchain wird aber von einer Zentrale geführt.
Für das Prüfen erhalten die Unternehmen von der Zentrale RSCoins als Lohn. Dadurch steigt die Geldmenge mit dem Volumen an Transaktionen. Die Zentrale kann den Anstieg durch Variation der Entlohnung beeinflussen und darüber hinaus zusätzliches RSCoin in das System einspeisen, so dass sie Herrin über die Geldmenge bleibt. Wie Bitcoin ist RSCoin eine Reputationswährung und wird über Transaktionen oder Geldinjektion der Zentrale statt über die Kreditvergabe von Banken geschaffen.
Dadurch ändert sich die Funktion der Banken grundlegend: Einerseits können sie zu Prüfeinrichtungen von Transaktionen werden, die in die zentrale Blockchain integriert werden. Andererseits können sie die von ihnen deponierten RSCoins verleihen. Offen ist allerdings, ob diese Aufgaben von den heute bestehenden Banken oder von neuen Unternehmen aus der Finanztechnologie übernommen werden.
Viele Menschen werden die Überlegungen zu Kryptowährungen, wie z.B. Bitcoins als alternatives Zahlungsmittel als Science-Fiction empfinden. Doch die Entwicklung der digitalen Verschlüsselung und die immer offensichtlicher werdenden Defizite des klassischen Kreditgeldsystems macht ihre flächendeckende Einführung unseres Erachtens zunehmend wahrscheinlicher.