08.11.2018 -
Die Aktienkurse sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Einige Titel scheinen hoch bewertet – und nun steigen auch noch die Zinsen in den USA. Warum das für Anleger kein Problem sein muss.
Auf kurze Sicht mag die Korrektur am Aktienmarkt in den vergangenen Wochen relativ markant erscheinen. In der Spitze verloren der deutsche Leitindex Dax und der US-Aktienindex S&P 500 während des Oktobers rund zehn Prozent – die zweite Korrektur in dieser Dimension in diesem Jahr und die fünfte innerhalb der vergangenen fünf Jahren. Auf die lange Sicht erscheint der Rücksetzer allerdings bestenfalls als kleiner Knick nach unten. Der Dax und S&P 500 haben ihren Wert seit Anfang 2009 knapp verdreifacht.
Als langfristig denkender, wertorientierter Investor fällt es uns natürlich nicht leicht, höhere Bewertungen zu akzeptieren. Unweigerlich drängt sich ein Vergleich mit der Jahrtausendwende auf. Damals wurde teilweise das Vierzigfache der Gewinne bezahlt. Wenig später folgte ein Crash. Von solchen Bewertungen sind wir heute weit entfernt. Anders als vor der Jahrtausendwende gibt es heutzutage aber kaum noch Alternativen zu Aktien. Bundesanleihen boten zu jener Zeit fünf Prozent Rendite. Heute liegt die Rendite bekanntlich nahe null.
Unter Aktienanlegern grassiert in diesem Umfeld die Angst vor der Zinswende. Wenn man sich umhört, dann lautet die Argumentation wie folgt: Die Notenbanken hätten weltweit mit ihren Billionen-Euro schweren Anleihekaufprogrammen für zusätzliche Nachfrage nach Anleihen gesorgt und deren Kurse in die Höhe getrieben. Die mathematische Folge wären sinkende Anleiherenditen – die in den Augen vieler Anleger der maßgebliche Grund für die Aktienkursgewinne der vergangenen Jahre sein sollen.
Solche Behauptungen lassen sich relativ einfach widerlegen. Zum einen fielen in der Tendenz die Anleiherenditen während keinem der drei großen Anleihekaufprogramme, im Gegenteil: sie stiegen. Zum zweiten stammt beinahe der gesamte Kursanstieg des S&P 500 seit 2009 aus den Phasen, in denen auch die Renditen stiegen. Die Phasen, in denen die Renditen spürbar zurückfielen, waren hingegen für die Entwicklung des Aktienmarktes nicht förderlich. Eine wirklich große Überraschung ist das nicht. Zinsen und Renditen steigen für gewöhnlich dann, wenn es das Wirtschaftswachstum zulässt. Und Wachstum erfreut auch den Aktienanleger, wenn die Gewinne der Unternehmen steigen. Trübt sich hingegen das Makroumfeld ein, sinken in der Regel die Zinsen und Renditen – ebenso wie die Aktienkurse.
Nicht selten begegnen uns übrigens Aktienanleger, die sich vor beidem fürchten: vor der nächsten Wachstumsdelle und vor steigenden Zinsen. Nur wenn Inflation und Zinsen ohne entsprechendes Wirtschaftswachstum sehr stark steigen – wie in der Stagflation der siebziger Jahre – kann es zu einer langen Durststrecke für Aktionäre kommen, die aber auch für Inhaber von Anleihen schmerzhaft wäre. Eine Stagflation erwarten wir eher nicht, und selbst wenn sie käme, könnten die Notenbanken die Zinsen wegen der ausufernden Staatsverschuldung wohl kaum so stark erhöhen wie früher.
Wir von Flossbach von Storch sind selber Aktionäre. Vor einem Wachstum, das Zinsen den Raum für einen nachhaltigen Anstieg böte, ist uns nicht bange. Allein – uns fehlt der Glaube.
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