03.06.2020 -
Das neue Hilfsprogramm der Bundesregierung zeigt: Die Politik unternimmt alles, um die Wirtschaft durch die Krise zu bringen. Die Folgen sind Schuldenberge – und eine deutlich expansivere Geldpolitik.
Die Regierenden sind derzeit nicht zu beneiden. Sie müssen Entscheidungen treffen, die die Gesundheit von Millionen Bürgern betreffen. Einen Plan haben, wie sie das wirtschaftliche Leben wieder zulassen. Flankierend müssen umfassende Hilfsprogramme initiiert werden, die weit über die bisher verabschiedeten Maßnahmen hinausgehen. Die Bundesregierung hat nun noch einmal kräftig nachgelegt und für 2020/21 ein Konjunkturprogramm in Höhe von 130 Milliarden Euro aufgelegt. Bereits Ende März hatte der Bund einen Nachtragshaushalt über 122,5 Milliarden Euro beschlossen. Familien sollen einen Kinderbonus von 300 Euro je Kind erhalten und bei den Stromkosten entlastet werden; die Mehrwertsteuersenkungen von 19 auf 16 Prozent und von sieben auf fünf Prozent sollen zudem die Konjunktur beleben. Das ergänzt die bestehenden Maßnahmen, durch die Kleinstunternehmen direkte Zuwendungen und größere Unternehmen Kredite erhalten. Und die in Deutschland bereits in der Finanzkrise erfolgreich eingesetzte Kurzarbeit soll Jobs sichern und den Neustart erleichtern.
Am Ende sind die Maßnahmen angesichts des Ausmaßes der Krise wohl alternativlos. Auch andere Länder werden nachlegen müssen. In Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien zeichnet sich eine tiefe Wirtschaftskrise ab, die Hilfsprogramme von Hunderten Milliarden Euro erfordert, weit mehr als bislang in Aussicht gestellt wurde.
Die US-Regierung hat Unterstützungen im Umfang von zwei Billionen US-Dollar angekündigt, um Unternehmen, Arbeitnehmern und Arbeitslosen zu helfen, was angesichts des schwach ausgeprägten sozialen Sicherungssystems in den USA kaum ausreichen dürfte. Da sich die USA in einem Wahljahr befinden und der Präsident die Prosperität des Landes als Maßstab für seinen Erfolg definiert hat, wird er bei künftigen Hilfspaketen nicht kleckern. Am Ende dürfte es zu einem fiskalpolitischen „All In“ der US-Regierung kommen.
Dies dürfte für fast alle Staaten gelten. Haushaltsdisziplin hat angesichts des Ernstes der Lage, wie in Kriegszeiten, keine Priorität. Die Haushaltsdefizite werden dramatisch ansteigen, wenn explodierende Ausgaben auf implodierende Einnahmen treffen.
In der Eurozone liegt die Staatsverschuldung derzeit mit 84 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) rund 15 Prozentpunkte über dem Niveau zu Beginn der Finanzkrise im Jahre 2008. Insbesondere in besonders hart getroffenen Ländern wie Italien und Spanien werden die Haushaltsdefizite deutlich ansteigen, zumal im Sommer erhebliche Einbußen im Tourismus drohen. Aber auch Deutschland wird die Krise stark treffen, da die Automobilindustrie lange brauchen wird, um sich zu erholen und jetzt auch noch der zuletzt starke Konsum einbricht. Eine V-förmige Entwicklung, die rasch wieder auf den alten Wachstumspfad mündet, können wir uns aufgrund der tiefen Spuren, die die Krise schon jetzt hinterlassen hat, kaum vorstellen.
Selbst eine deutliche Erholung der Wirtschaft in den kommenden Jahren würde die Staatsschuldenquoten kaum wieder auf das Vorkrisenniveau sinken lassen. Im Gegenteil, die Krise wird sich auch langfristig noch negativ auf die Staatshaushalte auswirken, die zusätzlich noch mit steigenden Ausgaben durch den demografischen Wandel belastet werden. Auch deshalb ist die jüngere Generation (vor allem in Europa) von der aktuellen Krise langfristig am stärksten betroffen.
Die hohen Staatsschulden zwingen die Notenbanken, ihre ultralockere Politik praktisch endlos fortzusetzen. Mit breit angelegten Wertpapierkäufen in Höhe von mehr als einer Billion Euro bis Ende 2020 hat die Europäische Zentralbank (EZB) sofort reagiert und den Anlegern die Angst vor möglichen Staatspleiten genommen. Als Hüterin des Euros und Staatsretterin der letzten Instanz wird sie wohl auch bald die Fesseln des Kapitalschlüssels abstreifen, das heißt die selbst auferlegten Grenzen für den Kauf von Anleihen einzelner Mitgliedsstaaten aufheben. Damit ist eine Insolvenz von Eurostaaten auch ohne Corona-Bonds, die ohnehin eher ein Zeichen der Solidarität wären, nicht zu erwarten. Die Schuldentragfähigkeit der Eurostaaten ist dank Null- und Negativzins und des Rückhalts der EZB bis auf Weiteres gesichert.
Auch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) befindet sich inzwischen im All-In-Modus. Der Leitzins wurde auf das Rekordtief von 0 bis 0,25 Prozent gesenkt. Zusätzlich kauft die Fed Staats-, Hypotheken- und Unternehmensanleihen in nie gekanntem Ausmaß. Allein vom 25. März bis 1. April waren es insgesamt mehr als 500 Milliarden US-Dollar (inkl. Notfallkredite), wodurch sich die Bilanzsumme auf 5,8 Billionen US-Dollar aufblähte. Damit wächst die US-Notenbankbilanz derzeit noch schneller als während der Finanzkrise.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von „Position“, dem Magazin von Flossbach von Storch erschienen. Sichern Sie sich hier Ihr kostenloses Abonnement.