03.08.2017 -
In einer Welt ohne Zins sind Aktien geradezu unverzichtbar. Es verwundert daher nicht, dass die Aktienkurse deutlich zugelegt haben. Bei vielen Anlegern wächst die Sorge, der nächste Crash stehe kurz bevor. Ist ihre Angst berechtigt? Der sechste Teil der Serie „Robust investieren“.
Zugegeben, die Bewertungen am Aktienmarkt sind spürbar gestiegen. Vor drei, vier oder fünf Jahren war es noch deutlich einfacher, günstige Aktien zu finden. Je nach Aktienindex, der als Maßstab herangezogen wird, liegt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), also das Verhältnis von Börsenwert zum Gewinn eines Unternehmens, nahe den historischen Durchschnittswerten oder sogar darüber. Sind Aktien deshalb zu teuer?
Grundsätzlich hängt das von dem jeweiligen Unternehmen ab, von der Geschäftsentwicklung – dem Cashflow, den Gewinnen und Umsätzen. Wichtig bei der Einschätzung ist jedoch nicht nur der Blick in die Vergangenheit, in frühere Geschäftsberichte, sondern auch der Versuch, die langfristigen Perspektiven einzuschätzen. Unternehmen entwickeln sich weiter. Sie optimieren Prozesse und erfinden neue Produkte. Neue Möglichkeiten tun sich auf – die zunehmende Digitalisierung etwa.
Die Bilanz eines Unternehmens ist jedoch nicht allein entscheidend für dessen Börsenbewertung. Mindestens genauso wichtig ist der Zins als Referenzgröße. Oder anders ausgedrückt: Wie attraktiv der Aktienmarkt ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wie attraktiv die Anlagealternativen sind, die sich dem Anleger bieten. Bekommt er fünf Prozent für seine zehnjährige Bundesanleihe (bei Inflationsraten von zwei Prozent), dann wird er zu Recht zögern, eine vermeintlich hoch bewertete Aktie zu kaufen. Aber was ist, wenn die gleiche Staatsanleihe keine Rendite mehr abwirft, oder der Anleger bis zum Laufzeitende sogar draufzahlen muss?
Je niedriger das (nachhaltige) Renditeniveau von Anleihen, desto höher darf unseres Erachtens die Bewertung von Aktien sein. Dies gilt vor allem für Aktien gewinnzuverlässiger Unternehmen.
Das Attribut Robustheit bezieht sich also nicht allein auf die verschiedenen Anlageklassen und deren Komposition, sondern auch auf die Einzeltitel. Das Portfolio ist die Summe seiner Teile.
Ein faires Bewertungsniveau für Aktien bestimmen zu können, ist aber nicht alles. Wer an der Börse aktiv ist, braucht vor allem Geduld. Er muss genug Zeit haben abzuwarten, bis der Markt den wahren Wert der Unternehmen, in die er investiert hat, honoriert. Und das Unternehmen benötigt ebenfalls Zeit, um sich zu entwickeln und Umsätze und Gewinne zu steigern. Ein Anleger sollte daher Kursschwankungen aushalten können und nicht in Panik verfallen, wenn es an der Börse etwas ruppiger zugeht.
Aus Sicht eines kaufmännisch denkenden Investors sind Kursschwankungen alltäglich – mehr noch: Ein tieferer Einstiegskurs bedeutet ein geringeres Risiko, weil er das Renditepotenzial erhöht, vorausgesetzt, an der Substanz des Unternehmens hat sich nichts verändert. Kursschwankungen können ihm von Zeit zu Zeit Sonderangebote bescheren. Der Gewinn liegt bekanntlich auch im Einkauf.
Viele Anleger lassen sich leider allzu leicht vom Auf und Ab an den Börsen abschrecken. Die Börsencrashs der vergangenen Jahrzehnte haben Spuren hinterlassen – „Black Monday“ (1987), Asien- und Russlandkrise (1998), Technologie-Blase (2002/03), der Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes (2008/09) oder die Eurokrise (2011).
Die Risikotoleranz oder besser: die „Schwankungstoleranz“ wurde auf eine harte Probe gestellt. Schaut man sich die Entwicklung der Aktienmärkte über einen längeren Zeitraum an, erscheinen die Auswirkungen der genannten Ereignisse in einem ganz anderen Licht. In der Rückschau betrachtet relativieren sich die kräftigen Kursrückschläge. Das gilt im Besonderen für Aktien erstklassiger Unternehmen.
Aber woran lässt sich die Qualität eines Unternehmens erkennen?
Es sollte über einen langen Zeitraum bewiesen haben, dass es verlässlich Gewinne erzielt und diese im Zeitverlauf auch steigert. Von großer Bedeutung ist zudem der sogenannte „Schutzwall“ eines Unternehmens; der Schutzwall steht für die Eigenschaft, das Geschäft (-smodell) gegen Mitbewerber verteidigen zu können.
Die Qualität der Bilanz und der Schutzwall sind wesentliche Merkmale eines Top-Unternehmens. Genauso wichtig ist das Management. Investoren sollten sehr genau auf diejenigen schauen, die die Geschicke eines Unternehmens lenken. Ist deren Unternehmenspolitik nachhaltig? Hat das Management seine Eigentümer, also die Aktionäre, im Blick – oder ausschließlich den eigenen Geldbeutel?
Die Qualität des Managements bestimmt langfristig den Unternehmenswert. Nicht selten wird die Beurteilung auf die Fachkompetenz und Berufserfahrung der Manager reduziert; nach unseren Erfahrungen reicht das nicht aus. Das Topmanagement, insbesondere der Vorstandsvorsitzende, trägt die Verantwortung für die Unternehmenskultur und dessen langfristige Strategie. Gerade in Zeiten extrem niedriger Zinsen und vergleichsweise geringer Wachstumsraten ist es entscheidend für den Unternehmenserfolg, das verfügbare Kapital bestmöglich einzusetzen.
Im siebten Teil unserer Serie geht es um Anleihen – sind sie in einer Welt ohne Zinsen überhaupt noch interessant?
Alle Teile der Serie, die bislang erschienen sind, finden Sie hier:
Teil 1 - Robust investieren – Eine Anlagestrategie im Zinstief
Teil 2 - Negativzinsen? Hat es noch nie gegeben
Teil 3 - Die Zinsen bleiben niedrig – Sparer müssen darben
Teil 4 - Die Inflation frisst das Ersparte auf
Teil 5 - Drei Regeln für eine bessere Geldanlage
Teil 6 - Ohne Aktien geht es nicht
Teil 7 - Anleihen? Sie müssen nur die richtigen finden!
Teil 8 - Gold - Versicherung für Krisenzeiten