02.02.2017 -
Börsenkurse schwanken. Die menschliche Psyche sorgt dafür, dass Anleger meist dann aussteigen, wenn der Wert ihres Investments (meist Aktien) im Keller ist – leider. Ein Plädoyer für mehr Rationalität bei Kursschwankungen.
Anleger haben ein gutes Gedächtnis. Nach Ausbruch der Finanzkrise infolge der Lehman-Pleite brachen die Aktienkurse weltweit ein. Obwohl es schon mehr als acht Jahre her ist, bleiben selbst scheinbar nebensächliche Details des letzten grossen Börsencrashs in der Erinnerung.
Etwa die Bilder der Banker, die mit Pappkartons beladen ihre ehemaligen Arbeitsstätten verliessen. Oder die roten „For Sale“- Schilder, die Hausbesitzer in Fenstern und Vorgärten aufhängten, weil sie ihre Kreditraten nicht mehr zahlen konnten.
Weitaus weniger präsent sind hingegen Erinnerungen an die Boomphasen der Börse. Dabei erleben wir derzeit eine historische Hausse, die schon mehr als acht Jahre dauert und die Börsenindizes weltweit auf historische Bestmarken getrieben hat. Es scheint, als ob ein geheimer Mechanismus im Gehirn dafür sorgt, dass ein Vermögenszuwachs schnell vergessen wird, während eine kurzzeitige Korrektur auf ewig im Gedächtnis verbleibt.
Wissenschaftler haben sich bereits mit diesem Phänomen auseinandergesetzt. Die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky wiesen in ihren Studien bereits in den 80er-Jahren nach, dass Verluste Anleger stärker „schmerzen“, als sie Gewinne „erfreuen“. Ein Verlust von hundert Euro ist gefühlt demnach eine höhere „Wertveränderung“ als ein Gewinn in gleicher Höhe. Dieses Phänomen kann dazu führen, dass Anleger Gewinne zu früh realisieren – und trotz Verluste in der Baisse verkaufen.
Es ist ein Dilemma: Die geistige Disposition des Menschen scheint dem Ziel einer erfolgreichen Geldanlage zu widerstreben. Daher plädieren wir für Rationalität. Für einen Anleger müssen temporäre Kursbewegungen an den Börsen nicht zwingend ein Risiko darstellen. Die wahren Risiken sind enttäuschende Renditen oder gar Wertverluste zu dem Zeitpunkt, an dem der Anleger sein Investment realisieren möchte. Nur dann hätte der Investor sein Anlageziel verfehlt.
Dieses reale Risiko hängt ganz entscheidend von der Laufzeit der Anlagen ab. Wer das Vermögen kurzfristig benötigt, kann mögliche Vermögensverluste nur mit wertstabilen Anlagen eindämmen. In diesem Falle sind keine nennenswerten Erträge zu erwarten. Tages- und Festgelder rentieren nahe null Prozent. Für grössere Vermögen berechnen immermehr Banken negative Zinsen. Staatsanleihen mit Top-Bonität rentieren bei kurzen und mittleren Laufzeiten in der Regel negativ.
Unseres Erachtens kann ein Split des Vermögens in zwei Teile sinnvoll sein. In ein kurzfristig verfügbares Portefeuille ohne Ertragsperspektive und in ein langfristig investiertes Portfolio, das mit einem angemessenen Anteil an Anlagen mit schwankenden Kursen (vor allem Aktien) mögliche Ertragschancen bieten kann. Die realen Verlustrisiken dieses dauerhaften Vermögens halten sich ebenfalls in Grenzen, wie die langfristige Marktentwicklung zeigt.
Ein Mischmasch aus beiden Portfolios ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll. Anlagestrategien, die eine ansprechende Rendite ohne Volatilität (Kursschwankungen) versprechen, enttäuschten Anleger in der Vergangenheit regelmässig. Dennoch schlägt das Versprechen „Konstant hohe Erträge ohne Kursschwankungen!“ noch immer Investoren in ihren Bann.
Fakt ist: Ohne Volatilität lassen sich unseres Erachtens keine attraktiven Renditen erzielen. Kursschwankungen müssen für langfristige Anleger aber nicht zwingend ein Risiko darstellen. Auf das Anlageziel kommt es an, also den Ertrag, den Anleger innerhalb einer bestimmten Zeitperiode erreichen möchten. Das reale Risiko liegt darin, dieses Ziel zu verfehlen. Die grösste Gefahr ist ein realer Wertverlust zu dem Zeitpunkt, wenn der Anleger auf sein Vermögen zugreifen möchte.