02.04.2020 -
Weltweit schnüren Regierungen in der Coronakrise milliardenschwere Hilfspakete. Das treibt die Staatsverschuldung in ungeahnte Höhen, wie eine Studie des Flossbach von Storch Research Institute zeigt.
Die Corona-Krise lässt die Wirtschaft stillstehen. Wie lange, ist nicht absehbar. Weltweit versprechen Regierungen ihren Bürgern und Unternehmen auch deshalb enorme Summen, um die ökonomischen Folgen des Stillstands abzufedern. Diese Maßnahmen dürften einen noch stärkeren fiskalischen Schaden verursachen als die Finanzkrise (2008-2009) und die europäische Staatsschuldenkrise (2011-2012).
Denn: Eine scharfe Rezession, wie sie durch die Corona-Krise in vielen Ländern zu erwarten ist, hat in der Regel schmerzhafte fiskalische Konsequenzen. Weil in solchen Zeiten das Bruttoinlandsprodukt (BIP) einer Volkswirtschaft sinkt, verringert sich der Nenner der Staatsschuldenquoten. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, erhöhen dann die Staaten ihre Ausgaben. Das wiederum erhöht oft parallel das öffentliche Defizit, und damit den Zähler dieser Kennzahl.
Wie stark eine solche Schuldenexplosion sein kann, zeigt der Anstieg der Schuldenquote der G7-Gruppe zwischen 2007, dem Jahr vor der Finanzkrise, und 2012, dem Jahr nach der Euro-Schuldenkrise: Damals stieg die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt um 40 Prozent. Nur wenige Länder haben in den konjunkturell guten Jahren nach 2012 ihre Schuldenlast reduziert.
Nun zeichnet sich im Zuge der Corona-Krise eine neue Schuldenwelle ab. Um die Auswirkungen der geplanten staatlichen Maßnahmen und der Wirtschaftsabschwächung abzuschätzen, nehmen wir beispielhaft an, dass das nominale BIP in diesem Jahr um fünf Prozent sinken wird. Dieser prognostizierte Einschnitt fällt höher aus als in der Finanzkrise, weil die ökonomischen Folgen des derzeitigen Stillstands unseres Erachtens wohl wesentlich gravierender werden. Zudem haben wir die bisher angekündigten fiskalischen Maßnahmen der Regierungen (Stand 26. März 2020) als Grundlage herangezogen, obwohl auch hier jederzeit Änderungen möglich sind.
Das erschreckende Ergebnis: Im Durchschnitt der G7-Gruppe würden die öffentlichen Schuldenquoten um fast 22 Prozentpunkte steigen. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als in der Finanzkrise zwischen 2008 und 2009. Innerhalb des Euroraums würde die Schuldenquote etwa in Italien von 133 auf 163 Prozent des BIP, in Spanien von 96 auf 120 Prozent und in Deutschland von 59 auf 98 Prozent steigen. Die wichtigsten Euroländer würden sich damit der Hundert-Prozent-Schuldengrenze nähern.
Wie das Beispiel Japan zeigt, kann fast jede Staatsschuldenquote aufrechterhalten werden, wenn die Zentralbank die Mittel bereitstellt und die Inflation niedrig hält. Formal ist in der Eurozone die Tür zur Finanzierung von Staatsschulden durch die Zentralbank zwar geschlossen. Doch informell steht sie offen. Denn ohne den Zugang zur Zentralbankfinanzierung hochverschuldeter Euro-Mitglieder würde der Euro in dieser Krise unseres Erachtens höchstwahrscheinlich auseinanderbrechen. Die Fähigkeit einzelner hochverschuldeter Länder von der Erhöhung ihrer Schulden und deren Finanzierung durch die EZB zu profitieren, könnte einen Wettbewerb der Kreditnehmer und womöglich die Entwertung des Euro auslösen. Die Zinsen, soviel scheint sicher, dürften sehr lange nicht steigen. Die immense Schuldenlast wäre ansonsten nicht finanzierbar – auch wenn die Notenbanken einen beachtlichen Teil der Staatsanleihen aufkaufen.
Agnieszka Gehringer ist Analystin am Flossbach von Storch Research Institute. Ihre Studie kann hier heruntergeladen werden.