23.11.2021 - Julian Marx

Europas Wirtschaft schwächelt


Europas Wirtschaft schwächelt

Mehr als 20 Monate nach dem Ausbruch der Coronakrise liegt die Wirtschaftsleistung in der Eurozone unter Vorkrisenniveau – im Gegensatz zu den USA. Die Gründe und ein Ausblick.

Seit mittlerweile fast zwei Jahren hat die Corona-Pandemie die tägliche Berichterstattung fest im Griff. Aber auch abseits gesundheitlicher und gesellschaftlicher Themen sind dies außergewöhnliche Zeiten.

Auf makroökonomischer Ebene stand zu Beginn der Pandemie ein Wirtschaftseinbruch von historischer Dimension. So sank im zweiten Quartal 2020 die reale Wirtschaftsleistung in den USA um 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. In der Eurozone ging das reale Bruttoinlandsprodukt um 14,5 Prozent zurück und im Vereinigten Königreich sogar um 20,8 Prozent. Nicht nur das in Friedenszeiten noch nie dagewesene Ausmaß des Abschwungs war ein Novum, sondern auch dessen zeitlicher Gleichlauf rund um den Globus.

Weltweite Erholung

Die gute Nachricht: Mit den Impfstoffen konnten die Lockdowns in immer mehr Ländern wieder aufgehoben werden. Daher befinden sich die Volkswirtschaften weltweit wieder im Erholungsmodus.  Die Volksrepublik China erreichte als erste Volkswirtschaft weltweit bereits 2020 wieder das Vorkrisenniveau.

Wagt man allerdings einen näheren Blick auf die entwickelten Länder, wird rasch ersichtlich, warum die Europäische Zentralbank (EZB) einen vorsichtigeren geldpolitischen Pfad in Aussicht stellt als der Dollar-Block um Australien, Kanada und die USA: So dürfte die reale Wirtschaftsleistung in den USA im Kalenderjahr 2021 bereits wieder um gut zwei Prozent über derjenigen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 liegen. In der Eurozone dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr hingegen teilweise noch deutlich hinter dem Vorkrisenniveau zurückbleiben (vgl. Grafik unten).

 

Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung dürfte die hochexpansive US-Fiskalpolitik sein. Mit einem Gesamtdefizit von 5,9 Billionen US-Dollar trug die US-Regierung in den vergangenen beiden Fiskaljahren maßgeblich dazu bei, dass sich die US-Wirtschaft deutlich dynamischer entwickelte als die Wirtschaft in der Eurozone.

So ersetzten Instrumente wie Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen in den Ländern der Eurozone nur teilweise die verzeichneten Einkommensausfälle. Arbeitslose in den USA konnten hingegen ihr Einkommen dank üppiger Arbeitslosenhilfen und zusätzlich ausgestellter Einkommensschecks überwiegend steigern. Allein die beiden genannten Kostenblöcke ließ sich die US-Regierung rund 1,5 Billionen US-Dollar kosten.

Warum wächst die Wirtschaft im Dollar-Raum deutlich schneller?

Diese „Überkompensation“ der US-Haushalte mündete bislang in einer anhaltend starken Konsumnachfrage, die sich in neuen Rekordumsätzen des US-Einzelhandels widerspiegelt. Diesen Schwung wird die US-Wirtschaft voraussichtlich mit ins neue Jahr nehmen können. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die US-Wirtschaft im kommenden Jahr erneut um starke fünf Prozent wachsen könnte. Die reale US-Wirtschaftsleistung würde damit im Jahr 2022 bereits acht Prozent über dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019 liegen.

In Europa setzt man indes große Hoffnung auf die Aufbau- und Resilienzfazilität der EU, bei der 723,8 Milliarden Euro an Förderungen und Krediten fließen sollen. Eine Wirkung dürfte sich aber erst ab dem kommenden Jahr entfalten. Gleichwohl werden die Volkswirtschaften der Eurozone ihr Vorkrisenniveau aber voraussichtlich nur knapp überschreiten können (vgl. Grafik unten). Berücksichtigt man zudem, dass die weitere pandemische Entwicklung mit möglicherweise weiteren Lockdowns zum Zeitpunkt der Prognosen noch nicht absehbar war, könnten sich selbst diese Schätzungen als zu optimistisch erweisen.

Die Aktienmärkte eilen trotz der bislang schwachen Erholung in der Eurozone und dem Vereinigten Königreich unterdessen von Rekord zu Rekord. Sie zeigten sich auch von der jüngsten Entwicklung der pandemischen Lage weitgehend unbeeindruckt.

Es gibt gute Gründe, dass sie sogar auf eine erneute Zuspitzung der Pandemie kaum reagieren könnten. Einerseits, weil das vergangene Jahr gezeigt hat, dass eine hochexpansive Fiskalpolitik bereit ist, temporäre Einkommensausfälle großzügig abzufedern; die Nachfrage bei einer Rückkehr zur Normalität also schnell wieder zu den derzeitigen Niveaus zurückkehren dürfte.

Andererseits, weil eine anhaltende pandemische Unsicherheit ein Argument dafür sein könnte, dass Notenbanken – wenn überhaupt – nur sehr behutsam an der Zinsschraube drehen. Die relative Attraktivität von Aktien bliebe auch in einem solchen Szenario also unverändert hoch.

 

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