30.08.2019 -
Die jüngste, kräftige Bewegung am Rentenmarkt hat auch uns überrascht. Dabei vertreten wir seit Jahren die Meinung, dass es keine Zinswende geben wird. Für Sparer könnte es noch ungemütlicher werden.
Wie Sie längst wissen, sind wir regelmäßige Leser der BILD-Zeitung. Sie ist und bleibt ein guter Seismograf für Themen, die Menschen bewegen. Am vergangenen Dienstag beispielsweise titelte sie: Negativ-Zins-Alarm: Retten Sie unser Erspartes, Frau Merkel!“ Das Ganze geschuldet den scheinbar immer weiter sinkenden Zinsen, insbesondere in Deutschland. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen sind in den vergangenen Wochen auf rund minus 0,7 Prozent gesunken; selbst die von 30-jährigen liegt unterhalb der Nulllinie. Hinzu kommt die Angst vieler Sparer, die Banken könnten künftig selbst für kleinere Sparbuch-Guthaben Negativzinsen veranschlagen – einerseits.
Andererseits ist die Forderung an die Bundeskanzlerin in der Überschrift schlichtweg unrealistisch und offenbart eine Geisteshaltung, die einer Lösung des Problems vieler Sparer im Wege steht: Die Erwartung, die politischen Entscheidungsträger müssten eine Lösung für sämtliche Widrigkeiten des Lebens parat haben bzw. herbeiführen, ist völlig realitätsfremd. Zumal politische Lösungen in derlei Angelegenheiten meist nicht die besten sind. Die BILD sollte unseres Erachtens viel besser titeln: „Fangen wir doch endlich an, unser Erspartes zu retten“. Selbst machen – und nicht darauf warten, dass es irgendjemand macht.
Ein Blick auf die Anleihemärkte verdeutlicht die Notwendigkeit, sein Vermögen breiter und globaler aufzustellen. Der Mix aus Handelsstreitigkeiten, Hongkong-Krise und Iran-Konflikt verdüstert die globalen Konjunkturaussichten, dämpft die Inflationserwartungen und drückt damit auch die Anleiherenditen – in historischem Ausmaß. Besonders gut lässt sich das an der Renditeentwicklung eines 30-jährigen Inflation-Linkers ablesen, also Inflationsschutz inklusive. Wer heute die Anleihe kauft, verliert bis zum Laufzeitende etwa ein Drittel des eingesetzten Kapitals.
Die große Frage ist: Wie weit können die Renditen noch zurückkommen? Oder anders gefragt: Welche Möglichkeiten bleiben den Notenbanken noch, allen voran der EZB, die Konjunktur und Inflation anzuschieben, ohne dabei die kleineren, aber auch die größeren Geschäftsbanken in die Bredouille zu bringen? Einfach weiter und immer mehr Staatsanleihen aufkaufen? Sehen wir am Ende eine invertierte Zinsstrukturkurve – am kurzen Ende negativ, am langen noch negativer?
Weitere Anleihekäufe sind unseres Erachtens nicht zielführend. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die EZB sich zunächst auf das kurze Ende konzentriert, also eine klassische Leitzinssenkung, womöglich eine überraschend deutliche. Oder weitere Kreditprogramme. Am Ende könnte sie, analog zur SNB, damit beginnen, Aktien zu kaufen, wobei bis dahin noch einige Zeit vergehen dürfte.
Unsere Kunden fragen uns in diesem Zusammenhang oft, warum die Aktienkurse angesichts des immer trüberen Konjunkturumfeldes in den vergangenen Wochen nicht viel deutlicher unter die Räder gekommen sind. Im Grunde genommen ist der Markt zweigeteilt. Es gibt diejenigen Volkswirtschaften und deren Unternehmen, die sehr stark unter den Folgen eines langanhaltenden Handelskonflikts leiden würden. Nicht wenige davon kommen aus den Schwellenländern, aber auch aus Deutschland. Ihre Kurse sind zuletzt deutlich unter Druck geraten. Seit dem Beginn von Trumps Zoll-„Hick-Hacks“ Anfang 2018 summieren sich die Verluste inzwischen auf minus 15 Prozent.
Sehr viel weniger anfällig zeigten sich die Aktien von US-Unternehmen, die im gleichen Zeitraum inklusive Dividenden sogar zugelegt haben. Eben weil die US-Unternehmen im Schnitt weniger abhängig sind vom Zustand der Weltwirtschaft. Sind die Kurse der US-Aktien deshalb überteuert?
Unseres Erachtens sind sie das nicht. Die Gewinnentwicklung ist positiv. Den durch die Steuerreform begünstigten Gewinnsprung im vergangenen Jahr haben die Aktienkurse aufgrund der vorhandenen Skepsis nie nachvollzogen, was unter dem Strich dazu führt, dass US-Aktien trotz leichter Kursgewinne spürbar günstiger wurden. Nicht umsonst hat der norwegische Staatsfonds jüngst in größerem Umfang europäische Aktien verkauft und stattdessen US-Titel gekauft. Selbst wenn sich die Erwartungen in den USA für 2020 leicht eintrüben sollten, dürfte das unseres Erachtens für Investoren zu verschmerzen sein. Nicht zuletzt wegen der Alternativen. Gemessen zu denen haben erstklassige Aktien nach wie vor das mit Abstand beste Chance-Risiko-Profil, wie wir finden.
Historisch war in den vergangenen Wochen im Übrigen nicht allein die Entwicklung an den Anleihemärkten, sondern auch die des Goldpreises. In Euro gerechnet kletterte der auf ein neues Allzeithoch. Gold scheint als Wertspeicher vielen Investoren wieder eine ernsthafte Alternative zum Papiergeld zu werden. Die Unsicherheit, was die künftige Notenbankpolitik betrifft, ist sicherlich der wesentliche Treiber. Interessant ist dabei, dass die gestiegene Nachfrage nach dem Edelmetall offenbar nicht von den gold-affinen Chinesen stammt.
Li Shenwei, unsere Kollegin in Shanghai, berichtete kürzlich davon, dass Gold in ihrer Heimat derzeit überhaupt kein Thema sei. Möglicherweise wird sich das noch ändern – mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Preis.