12.06.2017 -
Angesichts der Null- und Negativzinsen hoffen Sparer auf eine Zinswende, die ihren Namen auch verdient. Das sollten sie besser nicht tun. Nach unserer Einschätzung dürften die Zinsen noch lange niedrig bleiben.
Der Zins ist verschwunden. Seit Jahren schon warten Sparer in Deutschland darauf, dass sich Sparen wieder lohnt – zumindest ein bisschen. Und dass der Zinses-Zins-Effekt, einst von Albert Einstein als achtes Weltwunder gepriesen, irgendwann wieder Wunder bewirkt. Die Realität ist eine andere; und doch machen sich viele Sparer Hoffnung in diesen Tagen.
Denn die US-Notenbank hat ihren Leitzins kürzlich erneut angehoben. Zwei weitere „Zinsschritte“ dürften folgen in diesem Jahr, zumindest wird das erwartet. Der Anstieg könnte, so der Wunsch vieler Sparer, auch in Europa die Zinsen mit nach oben ziehen. Dazu passt, dass Benoît Cœuré, Mitglied des Direktoriums bei der Europäischen Zentralbank (EZB), jüngst darauf hingewiesen hat, dass sich doch alle „Wirtschaftsakteure“ tunlichst auf höhere Zinsen einstellen sollten. Sollten sie?
Natürlich! Ich persönlich halte es für keine gute Strategie, sich als Schuldner, ganz gleich ob Staat oder Privatmann, darauf zu verlassen, dass es Kredite dauerhaft zum Nulltarif gibt. Das wäre schlicht fahrlässig. Heißt das, ich gehe davon aus, dass der Zins schon bald wieder (deutlich) zulegt? Nein, das heißt es nicht; ich würde stattdessen behaupten, dass das globale Zinsniveau noch sehr lange niedrig bleibt; ein Zinswende, die den Namen auch verdient, wird es nicht geben – und dafür gibt es gewichtige Gründe.
(Vergebliches) Warten auf die große Zinswende
Bleiben wir zunächst in den USA. Dort versucht sich die Notenbank daran, ihre Geldpolitik zu normalisieren; in Trippelschritten hebt sie ihren Leitzins an. Allzu weit nach oben dürfte ihr Weg aber nicht führen. Janet Yellen, die Präsidentin der US-Notenbank, sagte während der vergangenen Pressekonferenz, dass sie den Leitzins angesichts der nach wie vor bestehenden konjunkturellen Risiken nur sehr behutsam anheben könne. Zinsniveaus aus der Vor-Finanzkrisen-Zeit werde es allzu bald nicht geben. US-Präsident Donald Trump, im Wahlkampf noch großer Kritiker der Niedrigzinsen, sagte jüngst in einem Interview mit dem ‚Wall Street Journal‘, dass er die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank sehr möge.
Die EZB schränkt den Handlungsspielraum der US-Notenbank zusätzlich ein, indem sie an ihrer Nullzinspolitik festhält – und zwar aus folgendem Grund: Je größer der Zinsvorsprung von US-Dollaranleihen gegenüber Euro-Papieren, umso attraktiver sind US-Anleihen für ausländische Anleihe-Investoren. Mit ihren Käufen treiben sie den Dollarkurs weiter in die Höhe. Ein zu starker Dollar wird aber irgendwann zu einem Problem für US-Unternehmen, die ihre Waren auf den Weltmärkten teurer anbieten müssen als ihre internationalen Konkurrenten. Schlussendlich leidet die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft.
Mario Draghi hält Kurs
Dass die EZB in absehbarer Zeit versuchen wird, ihre Niedrigzinspolitik zu beenden, ist wenig wahrscheinlich. Ohne sie wären einige Euro-Mitgliedsländer entweder längst zahlungsunfähig oder hätten die Währungsunion verlassen müssen. Das Problem der EZB ist, dass sich die Schuldenstaaten längst in der Nullzinswelt eingerichtet haben und den Beistand der EZB als gegeben hinnehmen. Notwendige Strukturreformen werden aufgeschoben oder ganz aufgehoben. Der niedrige Zins ist für sie schlicht überlebensnotwendig. Anders ausgedrückt: Die EZB dürfte die Zinsen weiter tief halten, weil sie sie tief halten muss. Andernfalls wäre der Euro am Ende. Ein Ende der EZB-Hilfen dagegen scheint kaum noch möglich, ohne Chaos zu verursachen.
Für Sparer bedeutet das: Es lohnt sich nicht, auf deutlich steigende Zinsen zu warten. Nicht in den USA, schon gar nicht in Deutschland.
Der Artikel ist als Gastbeitrag in der Rheinischen Post erschienen.