15.04.2019 -
Die Briten möchten die EU verlassen. Der Prozess dauert bereits Jahre. Wie der Austritt funktionieren soll, ist aber völlig unklar. Anleger können aus dem Brexit-Hype etwas lernen.
Die Briten geben ihren medialen Exportschlager Nr. 1, den Brexit, so schnell nicht auf. Die Frist für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) wurde bereits zwei Mal verschoben. Nun wird der 31 Oktober 2019 avisiert. Viele Zeitungen und Internetseiten widmen beinahe jeder neuen Wendung des (scheinbar endlosen) Austrittsprozesses eine Schlagzeile.
Aus der Sicht eines langfristigen Anlegers scheint das Thema aber weniger relevant. An den Finanzmärkten erzeugt es immer weniger Aufmerksamkeit. Im Rückblick ist die Masse an Research und Hirnschmalz, die dem Brexit gewidmet wurde, beeindruckend. Tausende Anlagekomitees haben in zigtausenden Sitzungen und Analysen Millionen kostbarer Arbeitsstunden verzehrt, ohne fruchtbare Ergebnisse liefern zu können.
Nachdem noch nicht einmal das ursprünglich festgelegte Austrittsdatum eingehalten wurde, dürfte bei vielen Anlegern die Erkenntnis gereift sein, ihre knappe Ressource Zeit sinnvoller einsetzen zu können als mit Spekulationen über mögliche Konsequenzen eines von Zeitpunkt und Ausmaß unbestimmten Brexits. Im Vergleich zu den großen globalen Themen wie der Notenbankpolitik, Staatsverschuldung, Digitalisierung, den Handelskonflikten oder dem Wirtschaftswachstum in den USA und China, war das Brexit-Theater frei nach Shakespeare also eher much ado about nothing (viel Lärm um nichts).
Eine langfristig erfolgreiche Anlagestrategie darf sich nicht an geräuschvollen, kaum abschätzbaren und wenig nachhaltigen Entwicklungen ausrichten, sondern muss das Wesentliche in den Vordergrund stellen. Solange der Brexit die Weltwirtschaft nicht in die Knie zwingt, bleibt er – zumindest aus dem Blickwinkel eines global investierenden Anlegers – ein Ereignis von regionaler Bedeutung.
Das zeigt sich auch beim Blick auf Börsenentwicklung der vergangenen Monate. Nach der Untergangsstimmung zum Jahresende 2018 kam es fast schon erwartungsgemäß zu einer deutlichen Erholung an den Aktienmärkten. Die wichtigsten Aktienindizes legten im ersten Quartal 2019 inklusive Dividenden um neun bis fünfzehn Prozent zu. Der misslungene Brexit spielte dabei kaum eine Rolle.
Wir hatten den im Dezember um sich greifenden Pessimismus und die starken Kurseinbrüche an den Börsen genutzt, um die Aktienquoten in den Multi-Asset-Fonds aufzustocken. Die starke Kurserholung seit Jahresbeginn hat einige Titel nach unserer Einschätzung schneller als erwartet wieder auf oder gar über ihren „fairen“ Wert steigen lassen. Wir haben deshalb vereinzelt Gewinne mitgenommen und dadurch die Aktienquoten in etwa auf das Niveau von Anfang Dezember reduziert.
Das Brexit-Theater verdeutlicht, wie wichtig es ist, Geräusche auszublenden, wenn ein Thema mehr Aufmerksamkeit erzeugt, als es verdient. Für die Perspektiven der Unternehmensgewinne und die Bewertung von Aktien sind die globale Wirtschaftsentwicklung und die Zinspolitik der Notenbanken wesentlich wichtiger. Hierauf liegt unser Hauptaugenmerk. Ob, wie und wann die Briten aus der EU aussteigen, ist für die Weltwirtschaft aus unserer Sicht langfristig von untergeordneter Bedeutung.