06.01.2017 -
China-Sorgen, Brexit, Trump-Wahl – 2016 war ein turbulentes Jahr. Im Interview spricht Bert Flossbach über die Perspektiven 2017; über US-Konjunkturpolitik, erstklassige Aktien und Goldanlagen.
Die Standardfrage zu Jahresbeginn lautet: Wie wird der aktuelle Jahrgang?
Bert Flossbach: Und die Standardantwort ist: Die Kurse werden stark schwanken. Damit können Sie nichts falsch machen. Die Antwort hilft aber Niemandem weiter.
Anders gefragt: Wo stehen die großen Indizes Ende 2017?
Flossbach: Ich habe keine Kristallkugel – deshalb werden Sie von mir auch keine Prognosen für z.B. Dax, Dow Jones oder Gold hören. Niemand weiß, wo der Markt Ende 2017 stehen wird.
Nach der Präsidentschaftswahl in den USA sind die Anleiherenditen dort deutlich gestiegen – ist das der Anfang einer Zinswende?
Flossbach: Der von Trumps Politik erwartete Konjunkturimpuls schürt Inflationserwartungen. Dem trägt die US-Notenbank Rechnung, indem sie den Leitzins anhebt. Die Märkte haben diese Entwicklung zuletzt vorempfunden. Ich würde aber davon ausgehen, dass der Zinsanstieg relativ rasch an Grenzen stößt. Eine echte Zinswende, mit Niveaus vergleichbar mit denen aus der Zeit vor der Finanzkrise, wird es unseres Erachtens nicht geben.
Warum?
Flossbach: Schauen Sie auf die anderen Notenbanken, allen voran auf Europäische Zentralbank und Bank of Japan – die werden an ihrer ultralockeren festhalten müssen. Das macht den US-Dollarraum zunehmend attraktiver. Investoren drängen in US-Anleihen und -Aktien, der US-Dollar wertet kräftig auf. Der starke Dollar wird aber irgendwann zu einem Problem für die US-Unternehmen und damit die gesamte US-Wirtschaft, weil deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Volkswirtschaften leidet.
Trotzdem geht man bei der US-Notenbank von mindestens drei Zinsanhebungen in diesem Jahr aus …
Flossbach: Die Prognosen der Notenbanker haben, wie uns die Vergangenheit gelehrt hat, eine sehr begrenzte Aussagekraft. Mit der Realität hatten die Schätzungen meist nichts zu tun. Je stärker der Dollar wird, umso schwieriger wird es unseres Erachtens für die US-Unternehmen. Gut möglich, dass die USA dann in die nächste Rezession rutschen. Die Fed müsste darauf wieder mit einer lockereren Geldpolitik reagieren.
Neben den US-Renditen sind zuletzt auch die Aktienkurse deutlich gestiegen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Flossbach: Man muss da differenzieren. Nicht alle US-Unternehmen haben gleichermaßen profitiert. Es gibt Gewinner und Verlierer. Profitiert haben vor allem die konjunktursensitiven Aktien, zu den Verlierern haben dagegen Titel aus klassisch defensiven Branchen gehört – wobei sich diese Entwicklung zuletzt wieder relativiert hat.
Lassen Sie uns vom US-Gesamtmarkt ausgehen – ist der Aufwärtstrend intakt?
Flossbach: Gut möglich, dass sich der Trend noch eine Weile fortsetzt – nachhaltig ist er unseres Erachtens jedoch nicht.
Warum?
Flossbach: Trumps Ankündigung, die Steuern deutlich zu senken und Milliarden in Infrastruktur zu investieren, freut die Finanzmärkte – zumindest kurzfristig. Die Umsetzung der Pläne ist jedoch noch völlig offen. Interessant ist doch, dass die Investoren Trump zwar ernst nehmen, wenn es um seine Steuer- und Investitionspläne geht, die Risiken, also der mögliche Protektionismus unter der Regierung Trump, aber völlig ausgeblendet werden.
Wie haben Sie sich in diesem Umfeld positioniert?
Flossbach: Unser Fokus liegt nach wie vor auf Aktien solider und ertragreicher Unternehmen; wir sind davon überzeugt, dass sie in so einem Umfeld langfristig die besten Anlagen sind.
Der Goldpreis ist nach der US-Wahl deutlich unter Druck geraten. Der starke Dollar belastet. Sind Goldanlagen überhaupt sinnvoll?
Flossbach: Gold sollte unseres Erachten ein wichtiger Bestandteil eines breit aufgestellten Portfolios sein. Eine Versicherung gegen die bekannten und unbekannten Risiken des Finanzsystems, allen voran die Folgen der ultralockeren Geldpolitik. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von Sicherheitsgold. Wir hoffen zwar, dass wir die Versicherung nicht brauchen, sind aber froh, sie zu haben.