22.08.2017 -
Am kommenden Donnerstag treffen sich die Vertreter der wichtigsten Notenbanken in Jackson Hole. Im Interview spricht Thomas Mayer über die Erwartungen an das Treffen und mögliche Hinweise auf die künftige Geldpolitik.
Herr Mayer, welche Erkenntnissen wird das alljährliche Notenbankertreffen den Investoren liefern?
Zentralbanker lieben Zusammenkünfte an schönen Orten. Da kann man sich gut vergnügen. Über die Kosten brauchen sie sich keine Gedanken zu machen – das dafür nötige Geld drucken sie schließlich selbst. Im Fokus steht aber sicherlich die Arbeit der US Federal Reserve (Fed) und der Europäische Zentralbank (EZB). Ich würde die Erwartungshaltung allerdings etwas dämpfen wollen.
Wird EZB-Chef Draghi Hinweise geben, die auf eine straffere Geldpolitik und damit schlussendlich eine Zinswende in der Eurozone hindeuten?
Zumindest war das eines der großen Kapitalmarkthemen in den vergangenen Wochen. Ich finde aber, dass die Diskussion um einen möglichen Strategieschwenk der EZB viel zu eng geführt wird.
Was genau meinen Sie?
Geldpolitik wirkt nicht allein durch die Instrumente, die die Notenbank anwendet. Anleihekäufe etwa oder Leitzinsanpassungen. Sondern eben auch durch das – ich nenne es – „Echo“, das ebendiese Instrumente an den Kapitalmärkten auslösen.
Das klingt schwer greifbar …
Nicht unbedingt. Die Bank von Kanada hat bereits Mitte der 1990er-Jahre versucht, einen Index zu konstruieren, der genau das leisten sollte: den sogenannten „Monetary Conditions Index“ – einen Seismograph zur monetären Lage, wenn man so will. Der Index wurde als gewichteter Mittelwert des von ihr gesteuerten Geldmarkzinses und des Wechselkurs berechnet. Dahinter stand die Idee, dass nicht nur der Zins, sondern auch der vom Zins beeinflusste Wechselkurs die Wirkungen der Geldpolitik bestimmen.
Aber auch das ist stark vereinfacht, oder?
Das ist richtig. Der Index war nur ein Anfang. Seither hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Echoeffekt der Zentralbankpolitik nicht nur auf den Wechselkurs beschränkt ist, sondern sich auf eine Vielzahl von Faktoren auswirkt. Deswegen wurden später „Financial Conditions Indices“, kurz FCIs, entwickelt, um den Geldmarktzins im Monetary Conditions Index zu ersetzen. Diese Indizes schließen neben dem Geldmarktzins Indikatoren aus den Kredit- und Aktienmärkten mit ein.
Warum spielen diese Indizes aktuell keine Rolle?
Vielleicht weil sich die heutige Generation der Marktteilnehmer nicht mehr an die Diskussion der neunziger Jahre erinnert. Aber William Dudley, Präsident der New York Federal Reserve und einflussreiches Mitglied im Rat der Federal Reserve, hat jüngst wieder auf die Bedeutung der Financial und Monetary Conditions für die Gestaltung der Geldpolitik hingewiesen.
Lassen Sie uns konkret schauen, was die FCIs heute aussagen – wie ist die monetäre Lage?
Die FCIs zeigen eine deutliche Lockerung des heimischen finanziellen Umfelds in den USA an. Und das obwohl, die Fed ihren Leitzins im Verlauf des ersten Halbjahr angehoben hat. Gleichzeitig ist der effektive Wechselkurs des US-Dollar deutlich gefallen, so dass sich die Monetary Conditions, also der gewichtete Durchschnitt von heimischen Financial Conditions und dem Wechselkurs, deutlich gelockert haben. Die US-Geldpolitik wirkt jetzt expansiver als Ende 2016.
Warum ist das so?
Weil beispielsweise die Risikoaufschläge am Anleihemarkt deutlich zurückgefallen sind, die Aktien stetig zugelegt haben und die Volatilität am Aktienmarkt bis zuletzt sehr niedrig war.
Wie sieht es für die Eurozone aus?
Grundsätzlich hat sich auch hier das heimische finanzielle Umfeld gelockert, aus den zuvor für die USA genannten Gründen. Der FCI zeigt auch hier eine expansivere Wirkung der Geldpolitik an als Ende 2016. Daraus könnte man schließen, dass nun eine Straffung erfolgen sollte. Aber der Effekt auf die Monetary Conditions wurde durch die Aufwertung des Euro vollständig kompensiert. Seit Jahresanfang hat sich bei der Gesamtwirkung der Geldpolitik also unter dem Strich nichts verändert.
Aber welche Handlungsoptionen lassen sich daraus ableiten?
Die US-Notenbanker könnten sich bestärkt darin fühlen, ihre Geldpolitik weiter zu straffen, obwohl die Teuerungsraten nach wie vor hinter ihren Inflationszielen zurückbleiben – also die Bilanzsumme wie angekündigt abzuschmelzen und die Leitzinsen bei Gelegenheit erneut heraufsetzen. EZB-Chef Draghi dürfte sich dagegen vornehm zurückhalten, was eine Straffung der Geldpolitik betrifft. Den Ausstieg aus der quantitativen Lockerung wird er vermutlich jetzt nicht ankündigen. Dies könnte zu einer weiteren Aufwertung des Euro und einer ungewollt heftigen Straffung der Monetary Conditions führen.
Vielen Dank für das Gespräch.