21.02.2020 - Flossbach von Storch

„Die Zinsspirale dreht sich nach unten“


„Die Zinsspirale dreht sich nach unten“

Im rheinischen Düren trafen sich Friedrich Merz und Bert Flossbach zum „Stadtgespräch“: „Nullzinsen, negative Zinsen – Was bedeutet das für Anleger, den Euro und Europa?“. Die wichtigsten Aussagen.

Eingeladen hatte der Verein „Stadtgespräch e.V.“. Moderiert wurde der Abend von Ulrich Stockheim, Unternehmer und Mitgründer des Vereins. Die Resonanz war riesig. Mehr als 500 Menschen kamen in die überfüllte Festhalle in Düren-Birkesdorf. Es hätten noch weit mehr Karten für den Abend verkauft werden können. Der Erlös kommt dem Verein „Stadtgespräch e.V.“ zugute.

Diskutiert haben Friedrich Merz und Bert Flossbach unter anderem über ...

... den Nullzins:

Friedrich Merz: Die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) deuten darauf hin, dass man die Niedrigzinsen noch über viele Jahre zementiert, um die hochverschuldeten Eurostaaten mit günstigen Krediten zu versorgen. Das ist ein Teufelskreis – mangelnde Reformen bei immer weiter steigendem Kapitalbedarf. Die Zinsspirale dreht sich nach unten. Ich halte das für eine sehr bedenkliche Entwicklung.

Bert Flossbach: Amerikaner, Schweizer, Spanier oder Italiener freuen sich über die niedrigen Zinsen. Weil sie einen viel höheren Immobilienanteil haben als die Deutschen. Generell wird anderswo das Geld besser angelegt, als wir das hierzulande tun. Die Deutschen stecken ihr Geld lieber in Nominalwerte – das Sparbuch oder Tagesgeldkonto zum Beispiel. Ein Fehler, der sich nun rächt. Die Banken kämpfen darum, erodierende Zinsmargen zu kompensieren, indem sie vielerorts die Kontoführungsgebühren anheben. Auch das Gedankenspiel flächendeckender Strafzinsen sollte  nicht ausgeschlossen werden. Womöglich bringt das dann den ein oder anderen Sparer dazu, sich etwas intensiver mit dem Thema Geldanlage auseinanderzusetzen. Es wäre zu wünschen.

 

... die Unabhängigkeit der EZB:

Friedrich Merz: Die EZB ist unabhängig, so, wie wir das in Deutschland früher von der Bundesbank gekannt haben. Das war so gewollt; die EZB ist als unabhängige Institution konzipiert. Ich habe als Mitglied des Parlaments daran mitgewirkt. Allerdings stellt sie ihre Unabhängigkeit zunehmend selbst infrage. Denn diese Zinspolitik – und die Folgen, die sich daraus ergeben – führen angesichts der weiter steigenden Staatsschulden dazu, dass die EZB die Zinsen gar nicht mehr anheben kann. Denn das würde dazu führen, dass eine ganze Reihe von Staatshaushalten in der Eurozone zusammenbrechen würde; die wären schlicht nicht mehr finanzierbar.

Bert Flossbach: Formell ist die EZB unabhängig, aber machen wir uns doch nichts vor: Spätestens seit Mario Draghis Versprechen aus dem Sommer 2012, den Euro zu retten, koste es, was es wolle, ist die EZB de facto nicht mehr unabhängig; wenn schon nicht auf direkten politischen Druck hin, dann zumindest auf impliziten Druck aus den südeuropäischen Ländern. Sie ist zur Gefangenen ihrer eigenen Rettungspolitik geworden. Aus der Nummer kommt sie nicht mehr heraus.

 

... die Anlagekultur in Deutschland:

Friedrich Merz: Ein Großteil des Vermögens der Deutschen liegt auf Konten oder unter dem Kopfkissen. Dort gehört es nicht hin. Das Problem ist, dass viele Menschen hierzulande kein Gefühl für den Kapitalmarkt haben. Fahren Sie hundert Kilometer weiter nach Westen, in die Niederlande, dort werden Sie feststellen, dass der Bezug zu Kapitalmarktthemen viel stärker ist. Die Tatsache, dass heute so viele Menschen hierhergekommen sind, zeigt aber, dass es auch in Deutschland Interesse an diesen Themen, ein Interesse an Geldanlage gibt. Wachsendes Interesse. Von daher sollten wir aufhören, uns über die niedrigen Zinsen zu beklagen, sondern vielmehr überlegen, was wir vorausschauend aus dem Umstand machen können. Wir sollten damit beginnen, über Aktien nachzudenken. Über Fonds. Das ist keine Hexerei. Das sage ich im Übrigen seit mehr als zehn Jahren, also noch lange bevor ich den Namen Blackrock gehört hatte.

Bert Flossbach In dem Moment, wo Sie das Wort Aktie in den Mund nehmen, haben Sie mit sehr vielen Vorbehalten zu kämpfen, teilweise ideologisch begründeten Vorbehalten. Insbesondere vonseiten der Politik. Ich bin fast geneigt zu sagen, dass Vertreter der ein oder anderen Partei gar kein Interesse daran haben, dass die Deutschen sich an Unternehmen beteiligen und langfristig an der Wertschöpfung partizipieren. Dass ihnen in Wahrheit viel lieber ist, wenn sie ihr Geld weiter brav auf das Sparkonto bringen. Selbst der Bundesfinanzminister weist bei jeder Gelegenheit  darauf hin, großer Fan des Sparbuchs zu sein. Frei nach dem Motto: Wir sitzen alle im selben Boot – geteiltes Leid ist halbes Leid. Wohl dem, der die Pensionsansprüche eines Bundesministers hat ...

 

... die Anlagestrategie der Zukunft:

Friedrich Merz Unabhängig von allen Krisen hat sich die Investition in Aktien oder Aktienfonds in den vergangenen Jahrzehnten immer gelohnt. Das gilt nach meiner Überzeugung auch für die Zukunft. Mit der Einschränkung, dass es auch zeitweise mal nach unten gehen kann an den Märkten, deutlich nach unten. Aber: Wenn Sie kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 zu den damaligen Höchstständen investiert hätten, könnten Sie sich heute trotzdem über eine sehr anständige Rendite freuen. Fangen Sie also an, in Aktien zu investieren. Legen Sie die Aktien ins Depot und schauen dann zehn Jahre nicht mehr hin.

Bert Flossbach: Ich gebe Ihnen recht, wobei Anspruch und Wirklichkeit meist auseinanderliegen. Nur, Aktien kann eben nicht jeder Anleger aushalten. Ich habe gestandene Unternehmer erlebt, die genau das von sich behauptet haben und, als es dann eine Weile bergab ging, mit jedem verlorenen Prozentpunkt nervöser geworden sind. Als dann der Tiefpunkt erreicht war, wollten sie alles verkaufen. Was sicherlich der größte Fehler gewesen wäre. Unserer Überzeugung nach hilft es, ein Vermögen breiter aufzustellen, es auf verschiedene Anlageklassen, Einzeltitel und Währungen aufzuteilen. Auf diese Weise lassen sich Kapitalmarktrisiken begrenzen, ohne dass Anleger auf sämtliche Renditepotenziale verzichten müssen.

 

Friedrich Merz ist Rechtsanwalt, Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU und Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock Deutschland.

Dr. Bert Flossbach ist Gründer und Vorstand der Flossbach von Storch AG in Köln.

 

Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Ausgabe von „Position“, dem Magazin von Flossbach von Storch. Sichern Sie sich hier Ihr kostenloses Abonnement der "Position".

RECHTLICHER HINWEIS

Diese Veröffentlichung dient unter anderem als Werbemitteilung.

Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen und zum Ausdruck gebrachten Meinungen geben die Einschätzungen von Flossbach von Storch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Angaben zu in die Zukunft gerichteten Aussagen spiegeln die Zukunftserwartung von Flossbach von Storch wider, können aber erheblich von den tatsächlichen Entwicklungen und Ergebnissen abweichen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann keine Gewähr übernommen werden. Der Wert jedes Investments kann sinken oder steigen und Sie erhalten möglicherweise nicht den investierten Geldbetrag zurück.

Mit dieser Veröffentlichung wird kein Angebot zum Verkauf, Kauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder sonstigen Titeln unterbreitet. Die enthaltenen Informationen und Einschätzungen stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar. Sie ersetzen unter anderem keine individuelle Anlageberatung.

Diese Veröffentlichung unterliegt urheber-, marken- und gewerblichen Schutzrechten. Eine Vervielfältigung, Verbreitung, Bereithaltung zum Abruf oder Online-Zugänglichmachung (Übernahme in andere Webseite) der Veröffentlichung ganz oder teilweise, in veränderter oder unveränderter Form ist nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von Flossbach von Storch zulässig.

Angaben zu historischen Wertentwicklungen sind kein Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.

© 2023 Flossbach von Storch. Alle Rechte vorbehalten.

Alle News von Flossbach von Storch

Zurück zum Newsroom