09.07.2019 -
Die Zinswende sollte kommen. Ganz sicher. Und tatsächlich ist sie gekommen. Nur ganz anders als erwartet.
Etwas ketzerisch ließe sich anmerken, dass es die Zinswende tatsächlich gegeben hat, nur ganz anders, als viele das erwartet hatten. Denn die Zinsen sind nicht deutlich gestiegen, wie viele Sparer es sich sehnlichst wünschen, sondern weiter gefallen. Eine Wende, ja gewiss, nur in die falsche Richtung – aber warum?
Zunächst hatte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) signalisiert, dass sie die für dieses Jahr geplanten Zinserhöhungen streichen werde. Außerdem wollen die Notenbanker im Herbst den Abbau der gewaltigen Notenbankbilanz stoppen. In den Büchern der Fed stehen Anleihen im Wert von umgerechnet fast vier Billionen Euro.
Es dauerte nicht lange, und die Europäische Zentralbank (EZB) zog nach. EZB-Chef Mario Draghi verschob die erwartete Zinserhöhung, es wäre die erste seit der Finanzkrise gewesen, auf 2020. Frühestens. Draghi selbst wird dann nicht mehr im Amt sein; er geht noch dieses Jahr, im Oktober. Sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin wird dann darüber befinden müssen, ob die Null- und Negativzinsen in der Euro-Zone weiter Bestand haben sollen oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ersteres zutreffen wird, dürfte wesentlich höher sein als Variante zwei.
Die Auswirkungen der Notenbanksitzungen haben sich schnell an den Märkten gezeigt: Die Rendite von US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren fiel seit dem Hoch im Oktober 2018 in der Spitze um 0,9 Prozentpunkte auf nur noch 2,34 Prozent. Zuletzt ist sie wieder leicht gestiegen.
Auch andernorts rutschen die Renditen: Die von zehnjährigen Bundesanleihen sogar unter die Nulllinie. Weltweit sind die Renditen bei Staatsanleihen im Wert von 9.700 (!) Milliarden Euro negativ, mehr waren es nur im Rekordsommer 2016. Das heißt nichts anderes, als dass Staaten im großen Stil Geld mit Schuldenmachen verdienen. Die Welt steht kopf.
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