20.03.2017 -
Niedrigzinsen bringen die Unternehmen aus der Eurozone nicht dazu, mehr zu investieren. Im Interview spricht Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute, über die Gründe.
Herr Mayer, würden Sie sagen, dass die Geldpolitik der EZB erfolgreich ist?
Thomas Mayer: Das kommt darauf an, was Sie unter erfolgreich verstehen.
Investitionen innerhalb der Eurozone anzuschieben beispielsweise.
Dann ist sie nicht erfolgreich. Seit 2011 ist der Einlagesatz der EZB von 0,75 auf minus 0,4 Prozent gefallen, ihre Bilanzsumme dagegen um rund zwei Drittel gestiegen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist im selben Zeitraum von 2,7 Prozent auf nahezu null gefallen. Und was ist mit der Investitionsquote (Verhältnis der Investitionen zum Bruttoinlandsprodukt, Anm. der Red.) passiert? Die ist von 21,5 auf 19,9 Prozent gesunken!
Warum ist das so?
Entscheidend für Investitionen, so die Theorie von Franco Modigliani und Merton Miller, ist nicht die Höhe des Schuldzinses, sondern vor allem die Kosten für das Eigenkapital.
Sehen Sie das ähnlich?
Meine Kollegin Agnieszka Gehringer und ich haben die Theorie auf der Grundlage von Unternehmensdaten für mehrere Länder des Eurogebiets für den Zeitraum von 2007 bis 2015 untersucht. Dabei fanden wir heraus, dass Investitionen tatsächlich von den Kosten für das Eigenkapital abhängen. Die können aber nicht wie die Zinsen von der EZB nach unten gedrückt werden; sie verhalten sich im Grunde spiegelverkehrt zu den Zinssenkungen.
Was meinen Sie damit?
Sinkt das Zinsniveau, steigen die Kosten für Eigenkapital.
Wie passt das zusammen?
Die Kosten für Eigenkapital ergeben sich aus den Renditeanforderungen der Anleger auf dem Aktienmarkt. Diese Anforderungen steigen, wenn die Anleger ein höheres Risiko vermuten. Genau das ist der Fall, wenn die Zinsen sinken. Investoren werden wegen der höheren Fremdverschuldung dann berechtigterweise einen Aufschlag auf die Risikoprämie für das von ihnen zur Verfügung gestellte Eigenkapital verlangen.
Also bewirkt die EZB genau das Gegenteil von dem, was sie bewirken will?
Zumindest irren ihre Vertreter, wenn sie glauben, sie könnten mit ihrer Nullzinspolitik Investitionen anschieben.
Aber?
Es heißt nicht, dass die Niedrigzinspolitik der EZB völlig wirkungslos verpufft. Sie schwächt den Euro und verbilligt so den Auslandspreis der Exporte und erhöht den Inlandspreis der Importe. Die Exporte steigen und die Importe fallen. Das hilft dem heimischen Wachstum – einerseits. Andererseits kann das zu hohen Überschüssen im Außenhandel führen – wie in den vergangenen Jahren, insbesondere in Deutschland, geschehen.
Aber das ist doch eher positiv?
Das kommt auf die Perspektive an. Hohe Außenhandelsüberschüsse könnten von anderen Regierungen als bedrohlich für die Arbeitsplätze in ihren Ländern empfunden werden. Irgendwer muss das Export-Wunder schließlich bezahlen.
Gibt es denn Kritik aus anderen Ländern?
Die gibt es. Peter Navarro, Chefberater von Donald Trump in Handelsfragen, hat kürzlich Deutschland aufs Korn genommen. Wir nutzten den für uns viel zu schwachen Euro, um die Vereinigten Staaten und unsere Handelspartner in Europa auszubeuten, sagte Navarro der „Financial Times“.
Was sagt die Regierung in Berlin dazu?
Bundeskanzlerin Merkel verteidigte sich damit, dass Deutschland für die Politik EZB nicht verantwortlich sei. Und Finanzminister Schäuble bekannte in einem Interview, dass er kein glühender Fan der Geldpolitik sei. Als EZB-Chef Mario Draghi mit seiner expansiven Geldpolitik anfing, habe er ihm gesagt, dass er damit den deutschen Exportüberschuss nach oben treibe. Er habe Draghi versprochen, ihn nicht offen zu kritisieren, und wolle nun für diese Politik ebenfalls nicht kritisiert werden. Ein frommer Wunsch! Navarros Mäkeleien dürften nur der Anfang ernsterer Auseinandersetzungen sein.
Wobei Schäuble tatsächlich nichts für die Zinspolitik kann …
Er hätte Draghi in aller Öffentlichkeit erklären können, warum er seine Politik für gefährlich hält. Nun hat Deutschland den politischen Schaden. Einerseits drohen die Amerikaner mit Strafzöllen auf deutsche Exporte. Andererseits drängen namhafte Ökonomen die Bundesregierung zu schuldenfinanzierten Staatsausgaben, um so die heimischen Nachfrage zu stärken und den Außenhandelsüberschuss zu senken. Andere wollen, dass die Löhne stärker steigen, so dass deutsche Exporte teurer werden. Wieder andere wollen den privaten Konsum beleben, indem die Mehrwertsteuer gesenkt und zur Finanzierung die Einkommensteuer für Reiche heraufgesetzt werden soll.
Was spricht denn gegen ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket?
Alle diese Rezepte laufen letztlich darauf hinaus, die deutsche Wirtschaft und die Staatsfinanzen so zu formen, dass sie in das von der EZB geschneiderte Zins- und Wechselkurskorsett passen. Weil schwächere Länder der Währungsunion daran gescheitert sind, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und ihre Staatsfinanzen zu sanieren, sollen sich die stärkeren an die für die schwachen Länder lebensnotwendigen Verhältnisse anpassen. Auf diese Weise wäre eine Rettung des Euros zwar möglich, aber kaum wünschenswert.
Vielen Dank für das Gespräch.