16.02.2021 -
Die US-Aktienbörsen melden immer neue Rekorde. Eine Studie zeigt, wieso sich die Märkte dennoch bisher nicht von der Realität abkoppelt haben.
Die wirtschaftliche Lage eines Landes wird üblicherweise von der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts abgeleitet. Positive Wachstumsraten zeigen gesamtwirtschaftliche Expansion, negative Veränderungen einen Rückgang an. Als ein Frühindikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat sich in der Vergangenheit immer wieder der Aktienmarkt erwiesen. So gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass der Aktienmarkt gesamtwirtschaftliche Entwicklungen vorwegnimmt.
Seit die Kurse im späten Frühjahr des vergangenen Jahres eine sehr dynamische Aufwärtsentwicklung einschlugen, scheint es, als hätten sich die Börsen von ihrer Funktion als wirtschaftliche Indikatoren verabschiedet. Besonders erstaunlich schien das Auseinanderklaffen von Wirtschaftswachstum und der Entwicklung an den Aktienmärkten in den USA. Dort erreichten Indizes schon bald nach den Tiefständen im März 2020 neue Rekordhochs, während die Pandemie das Land härter traf als jedes andere westliche Industrieland.
Doch die Kursentwicklungen des Aktienmarktes im Pandemiejahr 2020 waren mitnichten irrational (auch wenn für einzelne Titel immer das Gegenteil gelten kann). Das zeigt eine aktuelle Studie des Flossbach von Storch Research Institute.
Vielmehr lassen sich für die positive Entwicklung an den US-Aktienmärkten vor allem zwei Erklärungsfaktoren anführen: Einerseits haben die umfangreichen geld- und fiskalpolitischen Hilfsmaßnahmen dazu geführt, dass die Marktteilnehmer die ultraniedrigen Zinsen als nachhaltig ansehen. „Niedrige Diskontierungszinsen lassen die Gegenwartswerte der erwarteten künftigen Unternehmensgewinne und damit deren Aktienkurse in die Höhe schnellen“, erklärt Studienautor Kai Lehmann. Zum anderen hat der Aktienmarkt nicht über alle Unternehmen hinweg einen Kursauftrieb erfahren. Vielmehr haben die Marktteilnehmer unter Unternehmen und Branchen klare Krisengewinner und -verlierer ausgemacht.
Zudem eilt der US-amerikanische Aktienindex S&P 500 der Wertentwicklung des europäischen Indizes Stoxx 600 schon seit vielen Jahren davon. Hatten beide Indizes im Jahr 2010 noch eine ähnlich hohe Marktkapitalisierung von etwa 10 Billionen US-Dollar, stieg die aggregierte Marktkapitalisierung bis Ende 2020 beim Stoxx 600 auf 13,4 Billionen US-Dollar, beim S&P 500 jedoch auf 33 Billionen US-Dollar an. Dabei war das wirtschaftliche Umfeld in den USA und Europa in den vergangenen zehn Jahren vergleichbar: So fiel das Wachstum in den USA im vergangenen Dezennium zwar etwas höher aus, dafür profitierten die europäischen Märkte von etwas niedrigeren Zinsen.
Interessant ist zudem ein Blick auf die Indexkomponenten. So machten Technologiewerte bereits 2010 etwa 15,7 Prozent am S&P 500 aus, aber nur 1,7 Prozent vom Stoxx 600. Demgegenüber waren Banken und Finanzwerte im europäischen Aktienindex mit 21,7 Prozent gewichtet, im US-Index aber hingegen mit 13,1 Prozent. Am stärksten an Indexgewicht gewonnen haben von 2010 bis 2020 in beiden Indizes Technologiewerte und zyklische Konsumwerte. Während bei Letzteren die Gewichtung in beiden Indizes ähnlich hoch ausfiel, machen Technologiewerte inzwischen 27,7 Prozent am S&P 500, aber nur sieben Prozent am Stoxx 600 aus. In Europa und in den USA zählten ähnlich hoch gewichtete Energiewerte zu den größten Verlierern. In Europa mussten zudem die Finanzwerte deutlich mehr Federn lassen als in den USA.
„Der US-Aktienmarkt profitierte also in erster Linie von den Kursgewinnen zukunftsträchtiger Technologieunternehmen“, sagt Lehmann. Hier ist seit 2016 eine deutliche Marktkonzentration zu beobachten. So repräsentieren die fünf größten Unternehmen in den USA ein Viertel der Marktkapitalisierung. Im Stoxx 600 machen die größten fünf Positionen nur 13 Prozent aus. Entwickelt sich hier eine Blase wie anno 2000? Wohl eher nicht, denn die Gewinne der (fünf größten) Technologieunternehme konnten mit der Kursentwicklung mithalten. So steuern die Technologieunternehmen mittlerweile ein Viertel der gesamten Gewinne zum Gesamtgewinn des Index bei.
Die gesamte Studie lesen Interessierte hier.