30.04.2020 -
Zwischen Nord- und Südeuropäern tut sich eine Kluft auf – nicht nur wegen Corona-Bonds. Im Interview erläutert Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute, die Gründe.
Herr Mayer, Europa streitet über Corona-Bonds – wie würden Sie den Zustand des Euro beschreiben?
Thomas Mayer: Kritisch – die Folgen der Pandemie erhöhen die Gefahr eines Bruchs der Eurozone.
Woran machen Sie das fest?
Die unterschiedlichen Strukturen in den Mitgliedstaaten bewirken, dass Covid-19 auf einzelne Euroländer verschieden wirkt, also die einen härter trifft als die anderen.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Nehmen wir die unterschiedliche Leistungsfähigkeit des Gesundheitssektors. Je besser die ist, umso eher lassen sich Lockerungsmaßnahmen vollziehen. Oder andersherum: Je anfälliger das Gesundheitssystem, desto strenger und länger müssen die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung sein – und umso stärker wird die hiesige Wirtschaft getroffen. Daher werden in den Südländern die Staatsfinanzen stärker belastet und die Rezession härter ausfallen als im Norden.
Was ist mit der Struktur der jeweiligen Volkswirtschaften – gibt es da auch Unterschiede, was die Belastung betrifft?
Die Tourismusbranche etwa wird langfristig von den durch die Pandemie ausgelösten Änderungen des Konsumentenverhaltens wesentlich stärker geschwächt als beispielsweise das verarbeitende Gewerbe. Die Informations-, Kommunikations- und Technologiebranche dürfte von diesen Änderungen sogar profitieren. Da der Süden stärker vom Tourismus abhängt, aber das verarbeitende Gewerbe und der Technologiesektor eine geringere Rolle spielen, wird er auch langfristig höhere wirtschaftliche Verluste erleiden als der Norden.
Lässt sich die Abhängigkeit vom Tourismus in irgendeiner Form kompensieren?
Um die Folgen zu mildern, wäre eigentlich eine reale Abwertung des Wechselkurses nötig.
Was in einem Währungsverbund jedoch alles andere als einfach ist …
Eine Abwertung könnte nur durch eine von der Europäischen Zentralbank angefachte hohe Inflation in den Nordländern erreicht werden – wogegen diese sich wehren dürften.
Was dann?
Die Unfähigkeit, notwendige reale Wechselkursanpassungen durchzusetzen, könnte letztlich zu einem Showdown zwischen Süd- und Nordländern führen.
Wie würde der aussehen?
Setzt der Süden die Inflationierung des Nordens durch, könnten die Nordländer die Währungsunion verlassen. Verhindern die Nordländer dagegen die Inflationierung, könnten die Südländer austreten. Für Anleger in den Südländern ist es in jedem Fall sinnvoll, ihr Geld in den Norden zu schaffen. Dort ist es sicherer und steigt im Wert, falls die Nordländer eine stärkere Währung einführen. An den sogenannten Target2-Salden lässt sich ein solcher Kapitalfluss von Süd nach Nord bereits ablesen.
Vielen Dank für das Gespräch.