28.07.2017 -
Die US-Konjunktur brummt, die Notenbank erhöht die Zinsen und vergrößert das Angebot an Anleihen. Eigentlich müssten die Renditen von US-Staatsanleihen kräftig anziehen. Tun sie aber nicht – und dafür gibt es eine Erklärung, die Konsequenzen für viele Geldanleger haben dürfte.
Amerika geht es gut. Im Land herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Seit Jahren brummt die Konjunktur. Viele große Konzerne, allesamt Weltmarktführer, melden fürs zweite Quartal Rekordzahlen.
Es gibt aber auch Verlierer des Aufschwungs. Hierzu zählen etwa Zinssparer, die langfristig in US-Staatsanleihen investieren und dabei nicht auf kurzfristige Kursgewinne spekulieren. Die US-Wirtschaft wächst nominal (Realwachstum plus Inflationsrate) zwischen drei und vier Prozent. Gemessen daran erscheint das Renditeniveau amerikanischer Staatsanleihen vielen Investoren viel zu niedrig.
Zu Beginn des Jahres war deshalb die einhellige Meinung, dass die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen schon bald die Marke von drei Prozent übersteigen müssten; Ende des Jahres, so die Erwartung, könnten die Renditen gar Richtung vier Prozent steigen.
Als Begründung wurden die guten Konjunkturaussichten genannt, die weitere Zinserhöhungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zur Folge hätten.
Am 14. Juni verkündete Fed-Präsidentin Janet Yellen die vierte Zinsanhebung nach der Finanzkrise. Außerdem stellte sie ihren Plan vor, wie die US-Notenbank ihre aufgeblähte Bilanz wieder verkleinern möchte. So sollen fällig werdende Anleihen künftig nicht mehr vollständig durch neue ersetzt werden. Ein neuerlicher Hinweis, dass die Fed ihre Geldpolitik weiter normalisiert. Theoretisch zumindest.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass just an diesem Tag die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen auf ihren Jahrestiefstand von 2,12 Prozent gesunken ist – und das obwohl die angekündigten Pläne, die Bilanz schrumpfen zu wollen, eigentlich das Gegenteil hätte zur Folge haben müssen. Denn wenn die Fed ihre Bilanz verkleinert, vergrößert sie damit das Angebot von Anleihen. Deren Preis müsste eigentlich fallen, die Renditen im Umkehrschluss steigen.
Taten sie aber nicht.
Auf dem ersten Blick mag das rätselhaft erscheinen. Es gibt aber eine Erklärung für das Dollar-Zins-Rätsel. Offensichtlich gibt es auf der Welt genügend Käufer, die einigermaßen attraktive und sichere Anlagen suchen und die Nachfragelücke, die die Fed hinterlassen würde, füllen möchten. Dabei haben vor allem die Amerikaner unterschätzt, wie attraktiv US-Staatsanleihen aus Sicht von Europäern und Japanern sind. Dort ist das Zinsniveau noch deutlich niedriger – und wird es unseres Erachtens auch bleiben.
Anfang des Jahres war der Renditeunterschied besonders hoch – und entsprechend hoch auch der Dollarkurs, wie folgende Grafik zeigt.
Schlussendlich bedeutet das nichts anderes, als dass die lockere Geldpolitik in anderen Währungsräumen, insbesondere in Japan und der Eurozone, die Möglichkeiten der Fed begrenzt, das Zinsniveau in den USA weiter anzuheben. Das zeigt auch die letzte Sitzung der Fed. Am 26. Juli erklärten die Währungshüter, den Leitzins in einer Spanne zwischen 1,0 und 1,25 Prozent zu belassen. Und es hilft wohl kaum, dass laut Yellen „relativ bald“ damit begonnen werden soll, die Bestände an Wertpapieren im Wert von rund 4,5 Billionen US-Dollar zu reduzieren.
Da die Zinsen in Europa unseres Erachtens ebenfalls kaum steigen dürften, da sonst die ausufernden Haushalte vieler Staaten nicht mehr finanzierbar wären, müssen sich Sparer wohl auch hierzulande längerfristig auf niedrige Renditen bei klassischen Sparprodukten wie Zinskonten einstellen.
Je länger die Notenbanken aber an ihrer expansiven Zinspolitik festhalten, desto stärker verfestigt sich die Erwartung der Investoren, dass das extrem niedrige Zinsniveau von Dauer ist. Die Folge dieser Geldpolitik wäre eine Explosion der Preise von Vermögensanlagen. Bei Anleihen haben wir diese schon erlebt, denn die von der Notenbank initiierten sinkenden Renditen führen in dieser Anlageklasse unmittelbar zu steigenden Kursen. Ebenso bei Immobilien, deren Preise von der steigenden Nachfrage nach Sachwerten und günstigen Krediten profitieren.
Aktien dagegen sind unseres Erachtens immer noch vergleichsweise attraktiv bewertet. Zwar ist auch deren Gewinnrendite (Ergebnis je Aktie in Relation zum Kurs) in den vergangenen Jahren gefallen; sie liegt aber nach wie vor über der Rendite von zehnjährigen deutschen Bundesanleihen.
Und Gold? Das Edelmetall kann unseres Erachtens in Tiefstzins-Zeiten als Versicherung dienen – gegen die bekannten und unbekannten Risiken, die in unserem Finanzsystem auch wegen der niedrigen Zinsen schlummern.