17.06.2020 -
Um Krisen zu verstehen, lohnt es manchmal, sie mit anderen Krisen zu vergleichen. Geben die vielleicht die Hinweise, was den weiteren Verlauf betrifft? Wie sieht das im Fall von Covid-19 aus?
Es gibt nicht wenige Anleger, die glauben, Krisen folgten einem bestimmten Drehbuch. Idealerweise einem aus früheren Krisen bekanntem Muster. Als Covid-19 über die Kapitalmärkte hereinbricht, wird also wieder verglichen. Gibt es Krisen, die der aktuellen ähneln, in welcher Form auch immer? Da bieten sich verschiedene Krisen zum Vergleich an.
Wenn wir allein die Wucht als Maßstab nehmen, mit der Covid-19 die globale Wirtschaft getroffen hat, ausgedrückt etwa in der Vielzahl der Arbeitsplätze, die im Zuge der Pandemie vernichtet wurden und vermutlich noch vernichten werden, dann landen wir zwangsläufig bei der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Einer Krise, die die Welt verändert hat – ökonomisch und nicht zuletzt deshalb auch politisch. Allein wegen ihres Ausmaßes wird die Große Depression bei allen Krisen unserer Zeit bemüht, um mögliche Parallelen aufzuzeigen.
Auch die Finanzkrise, die 2008 in der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers gipfelte, und die ihrerseits stets mit der Großen Depression verglichen wurde, kommt einem in den Sinn. Ihre Auswirkungen, samt den Einzelheiten und Kleinigkeiten, sind den meisten Marktteilnehmern noch sehr präsent. Auch die Kursverläufe. Dass auf die ersten deutlichen Rücksetzer 2007 eine ebenso deutliche Erholung folgte, ehe die Notierungen 2008 und 2009 auf neue Tiefstände fielen. Folgt die Börse 2020/2021 einem ähnlichen Drehbuch, kommt also das „dicke Ende“ erst noch?
Mit Sicherheit kann das niemand vorhersagen, aber es gibt unseres Erachtens gewichtige Gründe, die dagegensprechen. Ja, Kursrücksetzer sind jederzeit möglich und angesichts des fragilen Marktumfeldes auch wahrscheinlich – ein Rutsch auf neue Tiefstände ist es dagegen nicht, zumindest nicht aus heutiger Perspektive.
Anders als die Finanzkrise ist Covid-19 keine „Systemkrise“, zumindest noch nicht, sondern ausgelöst durch einen externen Schock. Sollte daraus eine Systemkrise erwachsen, weil Banken erneut in Schieflage geraten, dürften weder Politik noch Notenbanken einen zweiten Fall Lehman zulassen, schon gar nicht, um ein Exempel zu statuieren.
Die großen Notenbanken haben bereits signalisiert, „all in“ zu gehen. Die US Federal Reserve (Fed) etwa hat am 23. März ein praktisch unlimitiertes Beistandsversprechen abgegeben. Andere Notenbanken werden nicht weniger tun. Massive Notenbankhilfen gepaart mit massiven Konjunkturprogrammen zementieren den Zins auf niedrigstem Niveau. Dauerhaft. Am Aktienmarkt kommt deshalb in den kommenden Jahren niemand vorbei. Auch wenn es zuweilen kräftig schwanken dürfte.