24.01.2019 -
Alle Welt spricht von Nachhaltigkeit – auch bei der Geldanlage. Doch was bedeutet nachhaltig? Vorschriften sollen für mehr Klarheit sorgen. Ob das gelingt, ist fraglich.
Die Welt soll nachhaltiger werden – auch die Finanzwelt. Seit Jahresbeginn müssen deshalb alle betrieblichen Altersvorsorgeeinrichtungen ihren Umgang mit Nachhaltigkeitsvorgaben transparent machen. Im kommenden Jahr soll dann ein EU-Aktionsplan zur nachhaltigen Neuausrichtung des Finanzmarktes folgen.
Im Kern des Aktionsplans soll ein verbindliches Klassifizierungssystem stehen, das die Anlage- und Unternehmenswelt in gut (grün) und schlecht (braun) einteilt und als Basis für die Anlageentscheidung gelten soll. Solch ein Klassifizierungssystem, auch ESG-Taxonomie genannt, stellt sich in der Praxis als überaus komplex heraus. Denn dazu müssen tausende Unternehmen anhand hunderter, oft schwammiger Kriterien analysiert und klassifiziert werden. Was bei der Analyse eines Windrads noch möglich ist, grenzt bei einem weltweit aktiven Konzern an Größenwahn. Anlegern und Anbietern droht unseres Erachtens ein neues Bürokratiemonster.
Denn: was bedeutet nachhaltiges Investieren ganz konkret? Es lässt sich kaum definieren, geschweige denn präzisieren. Weder EU-Kommission noch die eigens einberufene „High-Level-Expert-Group“ konnten sich bislang auf verbindliche Nachhaltigkeitsvorstellungen einigen. Es bleibt bei vagen Angaben. Und die sollen nun Ratingagenturen ausarbeiten und konkretisieren. Wohin blindes Vertrauen in Ratings führen kann, mussten unzählige Anleger schmerzlich in der Finanzkrise erfahren. Ohnehin gelten die Ratings nicht zuletzt aus diesem Grund nur als unverbindliche Zusatzinformation.
Was also tun? Investoren können den Begriff Nachhaltigkeit mit Attributen wie „dauerhaft“, „beständig“ und „zukunftsfähig“ übersetzen. Letztlich bedeutet Nachhaltigkeit langfristigen Erfolg. Nur wer nachhaltig denkt, kann nachhaltig agieren. Und er sollte bei der Unternehmensanalyse die richten Fragen stellen, wie zum Beispiel: Entspricht die Unternehmenskultur den zukünftigen Anforderungen an das Unternehmen? Hat das Unternehmen ein erfolgreiches zukunftsfähiges Geschäftsmodell? Ist das Management kompetent und handelt es wie ein langfristiger integrer Eigentümer?
In solchen Fragen finden sich auch die ESG-Faktoren Umwelt, Soziales und Governance wieder, ohne dass es dazu eines verbindlichen Klassifizierungssystems bedürfte: Wenn ein Unternehmen langfristig erfolgreich sein will, muss das Management zwangsläufig die ökologischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen richtig einschätzen und entsprechend handeln. Andernfalls dürften die Produkte des Unternehmens immer weniger nachgefragt werden.