11.08.2022 -
Die Preise steigen immer weiter – ein Fall für die internationalen Notenbanken. Aber können sie die Inflation überhaupt noch stoppen?
Erstmals seit Jahrzehnten wird die Inflation wieder von vielen Menschen bewusst (und als sehr schmerzhaft) wahrgenommen. Sie ist auch in der Wirtschaft angekommen. Um den Kaufkraftverlust zu kompensieren, verlangen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer höhere Löhne. Die Unternehmen müssen dann höhere Preise verlangen, damit die gestiegenen Lohnkosten nicht zu einem Einbruch ihrer Gewinne führen. Wenn sich hohe Inflationserwartungen in den Köpfen der Menschen fest verankert haben und ihre Lohnforderungen mindestens einen Inflationsausgleich verlangen, jagen die Löhne die Preise und diese wiederum die Löhne.
Ist dieser Prozess erst einmal in Gang gesetzt, lässt sich die Dynamik nur noch schwer stoppen. Noch wäre es verfrüht von einer echten Lohn-Preis-Spirale zu sprechen, die sich über mehrere Lohnrunden etablieren muss. Wir nähern uns aber einem Kipppunkt, ab dem es den Zentralbanken sehr schwerfallen wird, den Trend zu brechen und die angestrebte Inflationszielmarke von zwei Prozent auch nur annähernd zu erreichen.
Der US-Notenbankchef Jerome Powell hat dies inzwischen erkannt und mit der jüngsten Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte mehr Entschlossenheit demonstriert. Powell bewundert seinen legendären Vorgänger Paul Volcker, der von 1979 bis 1987 Vorsitzender der US-Notenbank war.
Als die Inflation Ende der Siebzigerjahre immer bedrohlicher wurde und auf über zwölf Prozent stieg, trat der frisch zum Fed-Chef ernannte Volcker auf die Bremse. Er erhöhte die Leitzinsen zunächst auf 15 Prozent und senkte sie dann wieder ein wenig (siehe Grafik).
Als die Inflation dann weiter auf mehr als 14 Prozent stieg, riskierte er eine Vollbremsung. Er erhöhte den Leitzins auf heute unvorstellbare 20 Prozent, wartete ab, ließ das Pedal wieder los und trat erneut auf die Bremse, als sich die Inflation immer noch nicht geschlagen geben wollte.
Im Zuge dieser „Stop and Go“-Politik erhöhte er den Leitzins insgesamt viermal auf 20 Prozent und drückte die Inflation bis Ende 1982 auf vier Prozent. Der Leitzins betrug zu diesem Zeitpunkt immer noch stolze 8,5 Prozent, was einen Realzins von 4,3 Prozent bedeutete.
Dieses Bremsmanöver kostete Gummi, die Wirtschaft fiel in eine Rezession. Schlussendlich besiegte Volcker aber nicht nur die Inflation, sondern rettete auch das ungedeckte Giralgeldsystem, das zehn Jahre nach dem Ende der Goldpreisbindung auf der Kippe stand. Paul Volcker konnte sich diesen Drahtseilakt leisten, weil die Staatsverschuldung in den USA damals weniger als 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug und nicht 125 Prozent wie heute.
Jerome Powell könnte nun ebenfalls versuchen, eine solche „Stop and Go“-Taktik anzuwenden, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau, denn sein Handlungsspielraum ist aufgrund der hohen Staatsverschuldung sehr viel geringer.
Zinsen oberhalb der Inflationsrate, die früher erforderlich waren, um den Preisauftrieb zu drücken, sind heute bei Inflationsraten von sieben oder acht Prozent nicht mehr denkbar. So bleibt nur die Hoffnung, dass der angebotsseitige Inflationsdruck wieder abnimmt und die Inflation von sich aus den Rückzug antritt.