08.08.2019 -
Warum der richtige Einstiegszeitpunkt viel mit gründlicher Unternehmensanalyse und wenig mit Timing zu tun hat, erklärt Philipp Vorndran.
Viele Anleger versuchen, über den richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt das meiste aus ihrem Investment zu machen. Ihre Idealvorstellung sieht so aus: Sie kaufen eine Aktie, wenn der Kurs seinen Tiefpunkt erreicht hat. Und hat der Kurs seinen Höhepunkt erreicht, wird wieder verkauft. Unseres Erachtens ist jedoch der Versuch, den Markt zu „timen“ zum Scheitern verurteilt. Denn niemand kann sagen, ob ein Markt oder eine Aktie tatsächlich schon ihren Tief- oder Höhepunkt erreicht hat. Vielleicht steigt die Aktie weiter, vielleicht fällt der Markt noch tiefer. Ob ein Hoch- oder Tiefpunkt erreicht wurde, lässt sich immer erst in der Rückschau bewerten. Schon deshalb bleibt die Idealvorstellung der Anleger eine Wunschvorstellung.
Viel wichtiger ist aber, dass die bloße Kursbetrachtung Anlegern kein aussagekräftiges Urteil über eine Aktie erlaubt. Eine Aktie, die 50 Prozent an Wert verloren hat, kann immer noch zu teuer sein. Eine verlässliche Information liefert der Aktienkurs nur dann, wenn Anleger ihn in Beziehung setzen zum fairen Wert, dem Ergebnis einer gründlichen Unternehmensanalyse. Erst anhand des fairen Wertes können Anleger beurteilen, ob der Preis für eine Aktie angemessen ist. Dann jedoch ist die Entscheidung vergleichsweise leicht: Unterschreitet der Aktienkurs, mithin der Preis für das Unternehmen, den fairen Wert, ist ein Kauf sinnvoll, überschreitet er ihn, ist es Zeit zu verkaufen. Doch welche Faktoren machen ein gutes Unternehmen aus, was beeinflusst den fairen Wert? Hier seien beispielhaft drei wichtige Elemente genannt, die ein Unternehmen mitbringen muss, damit es sich als langfristiges Investment eignet.
Gute Unternehmen haben ein Geschäftsmodell, das nicht ohne weiteres von anderen übernommen werden kann. Sie verfügen beispielsweise über Patente, die das geistige Eigentum der Firma schützen. Oder sie haben eine starke Marke aufgebaut, deren Markenwert sich monetarisieren lässt. Ein gutes Beispiel liefern Luxusgüterhersteller. Ihre Markenprodukte genießen bei vielen Konsumenten eine viel höhere Wertigkeit, als Produkte von Handelsmarken, die man beim Discounter kaufen kann. Entsprechend höhere Preise können Luxusgüter erzielen. Dieser Preis ist für das Unternehmen auch der Lohn für oft jahrzehntelange kontinuierliche Qualität. Mithin ein Merkmal, dass sich nicht über Nacht nachahmen lässt.
Gute Unternehmen müssen ein Management haben, das auch weiß, wann es sich von bestimmten Geschäftsbereichen trennen muss und/oder neue aufbauen oder akquirieren muss. Wenn Sie so wollen, betreiben gute Unternehmenslenker Portfoliomanagement auf Firmenebene. Und genauso wichtig: Das Management handelt interessensgleich mit den Aktionären. Ist zum Beispiel das Vergütungssystem nachhaltig – d.h. sind die finanziellen Anreize der Manager am nachhaltigen Unternehmenserfolg ausgerichtet und reicht die Verantwortung der Manager über die eigene Amtszeit hinaus?
Gute Unternehmen sind mit ihrem Geschäftsmodell global aufgestellt. Damit sind sie weniger abhängig, etwa von bestimmten politischen Themen in einem einzelnen Land. Zwar wird es immer auch Phasen an den Kapitalmärkten und den Realwirtschaften geben, in denen wirtschaftlicher Gegenwind ein Geschäftsmodell kurzfristig zur Seite legt, aber ein gutes Geschäftsmodell hat einen ausreichend tiefen Schwerpunkt, dass das Unternehmen nach diesen Phasen wieder aufsteht und erfolgreich wirtschaftet. Gute Beispiele liefern große Konzerne, die schon hundert Jahre oder länger bestehen. Diese Unternehmen haben schon zahlreiche Kriege und Krisen überstanden, ohne unterzugehen.
Schlussendlich gilt es vor jedem Investment zu prüfen, ob ein Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell langfristig erfolgreich sein kann. Nur dann verdient es auch das Prädikat nachhaltig. Dies gilt übrigens auch für Investoren: Nur wenn ihre Analyse langfristig ausgerichtet ist, wird sie nachhaltig erfolgreich sein. Nachhaltigkeit ist uns nicht neu, sondern vielmehr Wesensmerkmal eines langfristig denkenden Investors und damit einer langfristig ausgerichteten Anlagestrategie. Ein Unternehmen kann nur dann langfristig erfolgreich und damit nachhaltig wirtschaften, wenn es seine Kunden gut bedient, seine Mitarbeiter motiviert, fair mit seinen Geschäftspartnern umgeht, ausreichend investiert, Steuern zahlt und keine Umweltschäden anrichtet. Deshalb beschäftigt sich eine umfassende Analyse nicht nur mit den Geschäftsmodellen und Bilanzen von Unternehmen, sondern auch mit den Menschen, die dahinterstehen.
Wer diese – und eine Reihe weiterer – Faktoren in einer gründlichen Unternehmensanalyse berücksichtigt, hat im Grunde seine Hausaufgaben als Investor gemacht. Dann muss er im Prinzip nur noch darauf warten, dass der Markt die geleisteten Analyseanstrengungen belohnt.
Ein gutes Beispiel liefern dafür der November und Dezember 2018. Der massive Kursrutsch verschreckte viele Marktteilnehmer – sie verkauften überhastet. Wer jedoch die Nerven behält und den fairen Wert interessanter Unternehmen kennt, der kann in solchen Phasen Unternehmen zu sehr günstigen Preisen kaufen.