20.10.2016 -
Unter niedrigen Zinsen leiden Sparer schon seit Längerem. Dafür haben die Notenbanken gesorgt. Künftig könnten sie ihnen auch noch die Aktien wegschnappen. Damit treiben sie die Kurse langfristig in die Höhe. Indirekt ist das durch die massiven Anleihekäufe bereits geschehen. Denn: Das niedrige Zinsniveau macht Aktien als Anlagealternativen interessant und erleichtert außerdem die Finanzierung von Unternehmensübernahmen.
Dass Bayer Monsanto kauft, wäre früher schon allein wegen der hohen Zinslast kaum möglich gewesen. Zumindest nicht zum Preis von 56 Milliarden US-Dollar. Bayer will die Übernahme vollständig über Anleihen finanzieren.
Ähnliches gilt für die Übernahme des Schweizer Monsanto-Konkurrenten Syngenta durch ChemChina für 46 Milliarden US-Dollar. Ein weiteres Beispiel: Der Kauf des deutschen Roboterherstellers KUKA durch Midea, ebenfalls ein chinesisches Unternehmen.
Wer will es den Chinesen verdenken, sich Technologie im Ausland einzukaufen und gleichzeitig ein werthaltiges Beteiligungsportfolio aufzubauen? Die dazu erforderlichen Devisen kann sich die Volksrepublik theoretisch mit selbstgedruckten Yuan beschaffen. Der Yuan ist seit dem 1. Oktober eine der Weltreservewährungen.
Spannend bleibt: Was passiert, wenn die Banken flächendeckend Negativzinsen einführen? Wir hatten im Frühjahr gemeinsam mit der Gesellschaft für Konsumforschung GfK zu diesem Thema eine Umfrage durchgeführt. Im Zentrum stand die Frage: Wie würden Sie sich in einem solchen Falle verhalten? Die Ergebnisse waren eindeutig. Es ist vor allem eine Frage des Prinzips. Es ist eine Sache, keinen Zins zu bekommen, aber eine ganz andere, für sein eigenes Geld Zinsen zahlen zu müssen.
Dies dürfte Anleger dazu bewegen, ihr Vermögen ertragreicher zu investieren. Ohne Aktien ist das aber kaum noch möglich. Das Problem: Viele Anleger haben panische Angst vor Kursschwankungen. Sie werden deshalb nach Alternativen suchen – und vermutlich den Versprechungen fragwürdiger Anbieter mit ebenso dubiosen Anlagekonzepten erliegen. Die Verheißung: Attraktive und obendrein risikolose Renditen, die etwa sehr teure, geschlossene Beteiligungskonstruktionen mit fragwürdigen Investitionsobjekten bieten sollen.
Eines ist sicher: Wer langfristig sein Vermögen erhalten und mehren will, muss bereit sein, Kursschwankungen zu akzeptieren. Anders geht es heute leider nicht mehr. Die Bewertung von Aktien ist im Vergleich zu Anleihen nach wie vor äußerst attraktiv. Daran würde sich selbst bei einem Zinsanstieg um ein oder zwei Prozentpunkte wohl wenig ändern, der aber unseres Erachtens nicht zu erwarten ist.
Die Abhängigkeit von der Zinspolitik der Notenbanken wird jedoch immer wieder zu kräftigen Kurschwankungen führen – und zwar in beide Richtungen. Es spricht viel dafür, dass die Notenbanken ihre lockere Geldpolitik fortführen, sie sogar weiter ausweiten. Nach unseren Berechnungen werden die Wertpapierkäufe der aktivsten Notenbanken, der Europäischen Zentralbank, Bank of Japan, Bank of England und Schweizerischen Nationalbank, im vierten Quartal mit rund 545 Milliarden US-Dollar eine neue Rekordmarke erreichen.
Wir haben in den vergangenen Wochen gezielt unsere Aktienengagements bei einzelnen Unternehmen erhöht. Sollten sich in den kommenden Monaten weitere Anlagegelegenheiten ergeben, halten wir aber immer noch ausreichend Liquidität, um sie nutzen zu können.
Die US-Präsidentschaftswahl, das italienische Verfassungsreferendum, mögliche Neuwahlen in Spanien, die Rating-Überprüfung Portugals und natürlich weitere Notenbanksitzungen könnten für Turbulenzen sorgen. Damit nicht genug: Ein immer noch fragiles Bankensystem in der Eurozone und geopolitische Konflikte tun ein Übriges. Schließlich müssen wir noch mit Ereignissen rechnen, die wir heute noch gar nicht auf dem Radar haben.